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Archiv-Artikel

Wende am Arbeitsmarkt

Überall im Norden zweistelliger Rückgang – außer in Mecklenburg-Vorpommern. Nirgends wurden prozentual so viele neue Stellen geschaffen wie in Hamburg. Junge Leute haben bessere Chancen als ältere, Männer haben es leichter als Frauen

von GERNOT KNÖDLER

Die Arbeitslosigkeit in Norddeutschland ist im November stark zurückgegangen – sowohl im Vergleich zum Vormonat als auch im Vergleich zum Vorjahr. Besonders augenfällig in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist das Sinken der Arbeitslosenzahl in Schleswig-Holstein um 16,1 Prozent. Das ist der drittbeste Wert hinter Baden-Württemberg und Bayern. Dagegen kamen nirgends so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse hinzu wie in Hamburg.

„Eine Entwicklung wie jetzt im November hatten wir die letzten sechs Jahre nicht mehr“, sagt Michael Köster, Sprecher der Regionaldirektion für Niedersachsen und Bremen. Im Vergleich zum November 2005 sank die Zahl der Arbeitslosen in Niedersachsen um 13,3 Prozent, in Bremen um elf, in Hamburg um 10,2 und in Mecklenburg-Vorpommern um 3,9 Prozent. Der westdeutsche Durchschnitt liegt bei minus 13,3 Prozent. Verantwortlich dafür sei wohl auch das milde Wetter, vor allem aber die gute Konjunktur in Deutschland. Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Monate sagt Köster: „Es ist eine Trendwende.“

Eine Analyse der HSH Nordbank aus dem Sommer unterstreicht das zumindest für Hamburg und Schleswig-Holstein: Die Unternehmen beurteilten ihre wirtschaftliche Lage so günstig wie lange nicht mehr. Der Norden profitiere von der guten Weltkonjunktur. Der Boom in Asien werde insbesondere den Hamburger Hafen und die mit ihm verbundenen Bereiche prosperieren lassen. Ein Wachstum von mehr als zwei Prozent werde sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen, prophezeiten die Analysten.

Tatsächlich sind in Hamburg im September 2006 rund 16.900 mehr Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt worden als ein Jahr zuvor – das entspricht 2,3 Prozent. In Bremen und Schleswig-Holstein betrug der Zuwachs 1,4 Prozent und in Niedersachsen 1,3 Prozent (29.400 Stellen). Das Schlusslicht bildet auch hier Mecklenburg-Vorpommern mit 0,1 Prozent. Aus Gründen der Datenerfassung und -verarbeitung hinkt die Statistik für die Zahl der Beschäftigten der Arbeitslosenstatistik um zwei Monate hinterher.

Für die Diskrepanz zwischen den Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen gibt es neben dem zeitlichen Verzug eine Reihe von Erklärungen. „Möglicherweise haben viele einen Job gefunden, die nicht als arbeitslos gemeldet waren“, sagt Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ).

Wer nach dem Gesetz nicht als bedürftig gilt, ist zum Beispiel solange nicht darauf angewiesen, sich arbeitslos zu melden, bis er sein Vermögen verzehrt hat. Dazu kommt, dass Arbeitslose nach ihren Wohnorten erfasst werden, während die Beschäftigten ihren Arbeitsorten zugeordnet werden. Viele, die auf dem Lande leben, finden in der Stadt Arbeit.

Die meisten Stellen sind in allen Ländern im Bereich „Dienstleistungen für Unternehmen“ geschaffen worden. Für Bremen und Niedersachsen verweist die Arbeitsagentur hier insbesondere auf Informationstechnologie-Dienstleister und Zeitarbeitsfirmen. Auch Call-Center gehören zu dieser Kategorie. Mehr Menschen wurden auch für Erziehung und Unterricht sowie im Verkehrs- und Nachrichtenwesen beschäftigt. Bei der öffentlichen Verwaltung, den Streitkräften und der Sozialversicherung sind dagegen Stellen verschwunden.

Auffällig ist ein Beschäftigungszuwachs im verarbeitenden Gewerbe Mecklenburg-Vorpommerns und ein Zuwachs in der Baubranche Niedersachsens. Dort sind nach Jahren des Rückgangs im Vergleich zum vergangenen Jahr 65 Prozent mehr offene Stellen registriert worden – allerdings von einem sehr niedrigen Niveau von 490 Stellen ausgehend. Diese positive Entwicklung sei nicht nur im Bauhauptgewerbe, sondern auch bei Tischlern, Malern und Lackierern festzustellen, sagt Köster.

Wie eine Zusammenstellung Schröders zeigt, haben in allen Nordländern weitaus mehr Männer den Weg aus der Arbeitslosigkeit gefunden als Frauen. Am deutlichsten ist der Unterschied in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Arbeitslosigkeit unter Männern im Jahresvergleich um 7,3 Prozent abnahm, bei den Frauen aber nur um 0,3 Prozent. In Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegt die Differenz jeweils bei etwa zehn Prozentpunkten, allerdings auf höherem Niveau. In Hamburg liegen nur drei Prozentpunkte zwischen Männern und Frauen.

Im Vergleich der Altersgruppen zeigt sich, dass junge Leute noch immer weitaus bessere Chancen haben, einen Job zu finden als ältere. In Schleswig-Holstein zum Beispiel waren im November 2006 gut 22 Prozent weniger Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos als im November 2005. Bei den Arbeitslosen mit mehr als 50 Jahren auf dem Buckel betrug der Rückgang dagegen nur unterdurchschnittliche 13,2 Prozent.