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Archiv-Artikel

Am selben Ort ankommen, in zweiter Generation

GEBURTSHAUS Gute Erfahrung weitergegeben: In Charlottenburg bringen Frauen ihre Kinder zur Welt, die selbst in dieser Einrichtung geboren wurden

Die Berliner Geburtshäuser

■ Geburtshaus Charlottenburg: Spandauer Damm 130, 14050 Berlin, www.geburtshausberlin.de, (030) 3 25 68 09.

■ Geburtshaus Maja (Prenzlauer Berg): Paul-Robeson-Straße 37/38, 10439 Berlin, www.geburtshaus-maja.de, (030) 4 45 86 71.

■ Geburtshaus Schöneberg: Dominicusstr. 27, 10823 Berlin, www.geburtshaus-schoeneberg.de, (030) 78 71 92 50.

■ Geburtshaus am Treptower Park: Am Treptower Park 54, 12435 Berlin, www.geburtshaus-am-treptowerpark.de, (030) 92 12 43 30.

■ Geburtshaus Steglitz: Grunewaldstraße 6, 12165 Berlin, www.geburtshaus-steglitz.de; (030) 79 70 15 97.

■ Geburtshaus Müggelsee (Friedrichshagen): Aßmannstraße 64; 12587 Berlin, www.geburtshausmueggelsee.de, (030) 5 66 45 94.

■ Geburtshaus Potsdam (Babelsberg): Tuchmacherstraße 17, 14482 Potsdam, www.geburtshaus-apfelbaum.de, (03 31) 71 12 40.

■ Übersicht unter www.berliner-geburtshaeuser.de

■ Aktuelle Infos: www.hebammenverband.de/ (hs)

VON HANNAH SCHÜNEMANN

Emilia kam Anfang Mai im Geburtshaus Charlottenburg zur Welt. Genau wie 1988, knappe 26 Jahre zuvor, ihre Mutter Leonie Banani-Erdmann. „Meine Mutter hat ihr erstes Kind in einer Klinik bekommen und war sehr unzufrieden damit. Danach hat sie sich bewusst für die Alternative Geburtshaus entschieden“, erzählt die junge Mutter. Banani-Erdmann selbst hat sich keine einzige Klinik angesehen. Der Infoabend im Geburtshaus Charlottenburg genügte ihr. Danach meldete sie sich sofort an. „Eine Geburt ist keine Krankheit. Deshalb wollte ich nicht ins Krankenhaus“, so Leonie Banani-Erdmann.

Das älteste Geburtshaus Deutschlands gibt es nun seit 27 Jahren in Berlin-Charlottenburg. So lange, dass dort mittlerweile die ersten Frauen gebären, die am selben Ort geboren wurden. Die Gründer setzten im Februar 1987 der zunehmenden Technisierung von Geburten und Schwangerenbetreuung eine Alternative entgegen. Eine geschützte Atmosphäre unter der engen Betreuung von Hebammen, außerhalb des klinischen Rahmens. Seither haben sich zahlreiche Geburtshäuser etabliert. Wie auch ein Besuch im Charlottenburger Haus zeigt, ist die Alternative zu Kliniken weiterhin gefragt.

Bei nur sechs Prozent der Geburten, die außerklinisch begonnen haben, muss das Kind per Kaiserschnitt, also mit operativem Eingriff geholt werden. Die Durchschnittsrate in Deutschland lag 2012 bei satten 31 Prozent. „Wir unterstützen die physiologisch normale Geburt“, sagt Christine Bruhn, die Geschäftsführerin des Charlottenburger Hauses. Damit meint sie den Versuch der Geburtshäuser, ideale Bedingungen für Geburten ohne Medikamente und Operationen herzustellen. In erster Linie gehört für sie dazu, die Intimität einer Geburt zu schützen. Denn gebären heißt auch schreien, brüllen, weinen und noch einiges darüber hinaus. Nur wenn sich die Frau während der Geburt wohlfühlt, kann sie das ungestört tun. Alles, was sie dabei verunsichert, kann sich negativ auf die Geburt auswirken.

Deshalb legen Geburtshäuser das Augenmerk auf eine geschützte Atmosphäre. Das fängt bei der Ausstattung an: Im Gegensatz zum klassisch klinischen Ambiente möchte man aus den drei Zimmern im Charlottenburger Geburtshaus nicht gleich wieder rückwärts hinausgehen. Große Betten, warme Farben, Holzböden und breite Badewannen für Wassergeburten. Das Wichtigste ist aber sicherlich die enge Betreuung durch die Hebammen. Wenn eine Geburt beginnt, bekommt die Frau eine Hebamme an die Seite gestellt, die die ganze Zeit über dabei bleibt.

Gebären heißt auch schreien, brüllen, weinen und noch einiges darüber hinaus

Christine Schuppe ist eine der vierzehn Hebammen am Geburtshaus Charlottenburg und bereits seit 1992 am Haus. Davor war sie fünf Jahre an einer Klinik und will dorthin nicht zurück. In den Kreißsälen der Kliniken betreut eine Hebamme manchmal sechs Frauen gleichzeitig. Um den Überblick behalten zu können, werden die Frauen meist mit einem Gürtel um den Bauch an einen Herzton-Wehen-Schreiber angeschlossen. Das zwingt die Frauen dauerhaft auf dem Rücken zu liegen. „Meiner Erfahrung nach, gebärt keine Frau in Rückenlage, wenn sie es sich aussuchen kann“, erzählt Schuppe und fügt lachend hinzu „da gibt es die verrücktesten Positionen, aber die nicht.“ Im Geburtshaus sollen die Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht behalten. Dafür braucht es erfahrene Hebammen, die nur dann einschreiten, wenn es nötig ist oder gewünscht wird. Schuppe nennt das die Kunst der Nichtintervention.

„Als Hebamme muss man sehr viel Idealismus mitbringen“, so Schuppe. Das wird durch die momentane Lage in der Politik immer schwieriger. Freiberufliche Hebammen müssen zwingend Haftpflicht versichert sein. 1992 lagen die Versicherungsprämien pro Jahr noch bei rund 200 Euro. Bis 2012 sind sie auf über 4.200 Euro gestiegen. Mitte 2014 sollen die Prämien nun noch mal um 20 Prozent angehoben werden. Das ist mit dem Lohn einer Hebamme in vielen Fällen schlichtweg nicht bezahlbar. „Wir haben hier nicht nur mit Existenzängsten, sondern auch mit Nachwuchsmangel zu kämpfen“, konstatiert Bruhn. Es gibt zwar erste Entwürfe vonseiten der Politik, aber es müssen langfristige Lösungen gefunden werden, um die freiberuflichen Hebammen halten zu können. Ansonsten kann sich eine werdende Mutter bald nicht mehr für die individuelle Betreuung durch eine Hebamme entscheiden.

„Es gibt Frauenärzte und Kinderärzte. Bei einer Geburt ist aber die Hebamme die wichtigste Person. Sie ist die Verbindung“, meint Leonie Banani-Erdmann. Sie wünscht sich den Erhalt des Hebammenberufs, denn sie würde sofort wieder ins Geburtshaus Charlottenburg gehen. „Wenn Emilia ihre Kinder auch mal dort auf die Welt bringen kann“, sagt sie lachend, „dann wird es eine richtige Familientradition.“