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Archiv-Artikel

Hamburger Szene Oh Tannenbaum

Den einzigen Weihnachtsbaum, den ich jemals besaß, habe ich beim Loseziehen auf dem Weihnachtsmarkt gewonnen. Im Grunde habe ich ihn nicht einmal gewonnen, aber der Losverkäufer gab ihn mir trotzdem, wir waren uns sympathisch. Das ist zwei Jahre her, und seither gehört für unseren Sohn ein Weihnachtsbaum selbstverständlich dazu. Deshalb haben wir beschlossen, ihn dieses Jahr – wenn schon – aus dem eigenen Garten zu holen. Und eine erste Auswahlrunde gedreht.

Schließlich standen wir vor einer Edeltanne. Edeltannen tragen diesen Namen nicht von ungefähr: Unsere ist hochgewachsen, äußerst schlank und hat ein dichtes Nadelkleid. Mit anderen Worten: Sie ist das, was man als anmutig bezeichnen würde, falls es eine solche Kategorie auch für Nadelbäume gäbe. Zögerlich standen wir nun davor und blickten ehrfürchtig zur Baumspitze hinauf. Ist es für eine Tanne Ehre oder Schmach, als Weihnachtsbaum zu enden?

Schnell war klar, dass wir dem fünf-Meter-Baum ohnehin nur die Spitze kappen würden. Aber wie sieht der Rest denn dann aus? Und bekommt einer Tanne das Köpfen? Das Thema wurde kompliziert und unser Entschluss immer wackeliger. Als rettendes Argument erinnerten wir uns schließlich daran, dass Weihnachtsbäume ohnehin der Inbegriff der Bürgerlichkeit sind. Und entschieden uns, das Thema noch einmal ausführlich zu diskutieren. Durchaus erleichtert kehrten wir der Tanne den Rücken zu. ELKE SPANNER