SOUNDTRACK

Wer Softwarefirmen verklagt und die veganen Verschwörungstheoretiker von „Earth Crisis“ mit Joghurt bewirft, kann – edle Motive vorausgesetzt – immer ein paar Pluspunkte sammeln. So wie etwa die zunächst zwischen 1996 und 1999 um Don Devore und Sean Patrick McCabe gruppierten Ink & Dagger. War die Band aus Philadelphia stilistisch und vom Stallgeruch her noch deutlich der so genannten Dischord-Schule zuzuordnen, die den US-Hardcore mental und politisch über mehr als ein Jahrzehnt prägte, so entfaltete sich ihr besonderes Potenzial jedoch vor allem live. Statt sich nämlich wie die meisten anderen des Genres in schweißtreibender Authentizität und emotionaler Prekarität zu ergehen, präsentierte sie sich dem irritierten Publikum von Beginn an misfitsmäßig weiß gekalkt und vollgestopft mit blutrünstigen Vampir-Referenzen als psychisch angeschlagene Monster-Show. Das war befremdlich, gleichermaßen auch für die Gothic-Szene, in der solch unfrohes Spiel ja traditionell zu Hause ist. Mit ihrer letzten Platte erfolgte dann schließlich auch musikalisch der Bruch mit dem klassischen Hardcore und die Hinwendung zu einem eher auf Rhythmik und Dynamik setzenden, allerdings sehr düster bleibenden Sound, der Post-Hardcore mit dem aufkommenden Drum & Bass zu fusionieren suchte. Dies gelang offenbar so eindrucksvoll, dass Microsoft sich ungefragterweise einige Titel für seine Xbox aneignete. Sean McCabe starb 2000, nun ist die Band, ausgestattet mit dem „Thursday“-Sänger Geoff Rickly und vielleicht mit Schminke, noch einmal für eine Handvoll Konzerte in Europa. Mo, 3. 1., 21 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84 Das klingt ja, wird vielleicht mancher sagen, als würde Tom Waits jetzt die Musik für Adam Green schreiben. Nun: Die zweite Referenz tut jedem weh, während die erste immerhin schmeichelt. Und doch geschieht Patrick Duff musikalisch in großem Maßstab Unrecht, wollte man ihn auf das eine oder andere, oder auf beides eben, festlegen. Duff, in früherer Zeit Sänger der Indierock-Band „Strangelove“, schafft es nämlich, im genannten Spannungsfeld eigenständig und vor allem hörenswert, zu bleiben. So wird um klassisches Singer- / Songwriting herum ein ganzes Orchester an passenden Instrumenten aufgebaut: Hier klingen eine Tuba und eine Trompete, dort schleppt sich ein Schlagzeug durch den Hintergrund, weht ein Polka-Rhythmus durch das Land, gefolgt vom elegischen Chor und etwas wie Frank Sinatra, das plötzlich wie aus dem Ei gepellt in einer schäbigen Großstadt-Kneipe auf die Bühne steigt und dem Musiker sagt: „Gib mal“. Das wird es wohl sein, was Duff selbst als „eine Synthese der Musik, die sein Leben formte“ bezeichnet – mit anderen Worten eine vielgestaltige, atmosphärische Landschaft. Di, 4. 1., 21 Uhr, Astra-Stube, Max-Brauer-Allee 200 NILS SCHUHMACHER