: Sexskandal bedroht Polens Regierung
Hochrangige Vertreter der polnischen Regierungspartei Samoobrona werden der sexuellen Nötigung beschuldigt. Im Falle einer Anklageerhebung droht Regierungschef Jarosław Kaczyński damit, die Zusammenarbeit aufzukündigen
AUS WARSCHAUPAUL FLÜCKIGER
Bis in die späten Abendstunden dauerte am Montag das Verhör. Premier Kascyński höchstpersönlich hatte der Staatsanwaltschaft befohlen, sofort zu reagieren. Verhört wurde Aneta K., eine ehemalige Lokalabgeordnete der radikalen Bauernpartei Samoobrona. In der Montagsausgabe der Tageszeitung Gazeta Wyborcza hatte die Frau erzählt, wie sie vor drei Jahren im Tausch gegen sexuelle Gefälligkeiten gegenüber dem Samoobrona-Chef und heutigen Vizepremier Andrzej Lepper eine Stelle in einem Abgeordnetenbüro der Partei bekommen hatte. Später habe sie, um die Stelle zu behalten, immer wieder mit dem Abgeordneten und Samoobrona-Vizechef Stanisław Łyżwiński schlafen müssen, berichtete die junge Mutter. Der sei auch der Vater ihrer dreijährigen Tochter. Eine Klage auf Alimentezahlung ist anhängig.
„Wenn die Staatsanwaltschaft hier Klage erhebt, dann sehe ich keine Möglichkeit, weiter mit diesen Personen zusammenzuarbeiten“, erklärte Premier Jarosław Kascyński gestern morgen im polnischen Radio.
Dass er mit der radikalen Bauernpartei Samoobrona Andrzej Leppers einen schwierigen Koalitionspartner wählt, muss Kascyński bewusst gewesen sein, als er Lepper im Oktober zum zweiten Mal als Landwirtschaftsminister in sein Kabinett holte. Doch die Kascyński-Zwillinge hatten keine andere Wahl: Mit der liberalen Bürgerplattform (PO) wollen sie sich aus ideologischen Gründen nicht einlassen, zur Mehrheit im Sejm fehlen ihr aber 78 Sitze. Denn die Kascyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) eroberte im September 2005 nur 153 von 460 Abgeordnetenmandaten.
Seitdem spielt Lepper den Erpresser. „Das ist ein Provokation! Jemand will die Koalition zerschlagen“, kommentierte er am Montag die Enthüllungen der Aneta K. Er habe nie mit dieser Frau geschlafen, sagte Lepper und griff das Opfer sexueller Nötigung frontal an. „Was ist sie für eine Autorität, wenn sie drei Kinder mit je unterschiedlichen Vätern hat?“, spielte er sich auf. „Das zeigt immerhin, dass die Alten noch können“, kommentierte dagegen laut Gazeta Wyborcza die gehörnte Ehefrau des Vizechefs Łyżwiński die Vorwürfe.
Den Kascyński-Zwillingen selbst kommt die Sexaffäre höchst ungelegen. Erst letzte Woche sind in der polnischen Presse Fotos von Parteimitgliedern des zweiten Koalitionspartners, der rechtsextremen Polnischen Familienliga (LPR), beim Hitlergruß publiziert worden. Für die LPR wurde im Mai ein neues Ministerium geschaffen. Nun geisterte der LPR-Minister für Meereswirtschaft inmitten von Skinheads durch die Presse. Der Vize-Parteivchef Wojciech Wierzejski war tanzend auf einem Konzert einer faschistischen Rockband zu sehen, eine Assistentin des Europaparlamentsabgeordneten Maciej Giertych beim Hitlergruß vor einem brennenden Hakenkreuz. Sie alle waren früher Mitglieder der vom heutigen Vizepremier Roman Giertych gegründeten „Allpolnischen Jugend“, der rechtsradikalen Jugendorganisation der LPR.