: Merkels Handy bekommt Aktenzeichen
NSA Der Bundestag begrüßt das NSA-Verfahren des Generalbundesanwalts – streitet aber über dessen Vorladung
AUS BERLIN ASTRID GEISLER
Im Saal 2600 ging es heftig zur Sache – in dieser Einschätzung immerhin waren sich die Mitglieder des Rechtsausschusses am Ende einig. Davon abgesehen gingen die Meinungen auseinander, ob es nun eine schlaue Idee der Grünen war oder skandalös, den Generalbundesanwalt Harald Range ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt der Diskussionen um ein Ermittlungsverfahren wegen der NSA-Spähaffäre in den Bundestag zu zitieren.
Auch für den Chefermittler aus Karlsruhe nahm der Mittwoch einen ungeahnten Verlauf. Fast zwei Stunden ließen die Abgeordneten den hohen Gast warten, bis er als Punkt 20 der Tagesordnung schließlich offiziell machen durfte, worüber in der Presse seit Wochen in unterschiedlichste Richtung spekuliert worden war: Ja, er habe am Dienstag als Konsequenz aus der NSA-Affäre ein Ermittlungsverfahren wegen des „Anfangsverdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit“ eingeleitet – jedoch vorerst nur wegen der Ausspähung eines Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
„Umfangreiche Vorerhebungen“ hätten in ihrem Fall genügend Hinweise ergeben, dass „unbekannte Angehörige US-amerikanischer Nachrichtendienste“ eines ihrer Handys ausgespäht hätten. Das Verfahren richte sich „gegen unbekannt“.
Nicht ermitteln wird die Bundesanwaltschaft vorerst wegen der vermuteten massenhaften Abschöpfung aller anderen Menschen in Deutschland durch britische und US-amerikanische Geheimdienste. Begründung: Hier gebe es bislang keine ausreichenden Beweise für konkrete Straftaten. Die Beweislage sei so dünn, dass ein Strafverfahren „gesetzlich nicht zulässig“ wäre. Die Bundesanwaltschaft lässt aber ihr Prüfverfahren laut Range vorerst weiterlaufen.
Auf Nachfrage versicherte der Generalbundesanwalt, er habe diese Entscheidung alleine getroffen. Auch in der nichtöffentlichen Ausschusssitzung sagte Range laut Teilnehmern, er habe keine Weisung der Regierung erhalten. Eben das bekräftigte später auch Regierungssprecher Sprecher Steffen Seibert. Warum und auf Basis welcher Beweise Range nach monatelangem Zögern vorerst nur in Merkels Namen ermittelt, wollte der Generalbundesanwalt weder während der Sitzung noch im Anschluss daran im Detail begründen.
Für heftigen Streit im Ausschuss sorgten die Umstände des Range-Auftritts. Der Vorsitzendes des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), warf der Opposition vor, einen „Skandal des Rechtsstaates“ verursacht zu haben. Abgeordnete hätten versucht, Druck auf den Generalbundesanwalt auszuüben und die Entscheidung zu beeinflussen.
Die Attacke richtete sich unter anderem gegen den Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele, der am Montag vor einer Woche Ranges Befragung beantragt hatte. Außerdem beschwerte sich Sensburg, dass Renate Künast (Grüne) als Ausschussvorsitzende noch aus der nichtöffentlichen Sitzung per Twitter gefordert habe, Range müsse jetzt seinen „Zickzack-Kurs“ erklären. Die sei kein angemessener „Stil“, mit unabhängiger Justiz umzugehen, so Sensburg. Er kündigte „ein Nachspiel“ im NSA-Untersuchungsausschuss an.
Die SPD reagierte bei aller Stilkritik gelassener. Ihr Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, zeigte sich vor allem „irritiert“, dass die Bundesanwaltschaft vorerst nur wegen Merkels Handy ermittele – und nicht wenigstens auch andere Politiker einbeziehe. Der Grüne Ströbele wiederum kritisierte Ranges Entscheidung, zunächst kein Verfahren im Namen der Normalbürger zu eröffnen: „Das kann ich nicht verstehen.“
Die Kritik an der Ladung des Generalbundesanwalts und deren Umstände nahm die Opposition gelassen. Range sei doch „Manns genug“, sagte Künast, sich nicht von solchen Aktionen beeinflussen zu lassen.
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