DIE WERBEPAUSE : Merkel, Markt und Waschmaschine
Nach Aufschwung sieht das nicht aus: Tiefschwarzer Himmel, ein Gewitter über Berlin. Die Kanzlerin sitzt mit Deutschlandflagge und Begräbnis-Blumenschmuck auf einem leergefegten Parkplatz in der Vorstadt und richtet das Wort ans Volk. Frau Merkels Akzent ist stärker denn je, und obwohl sie rund 20 Jahre jünger aussieht als sonst, kündigen ihre Krisenmundwinkel und ihre Hände in Schockstarre schlechte Nachrichten an. Doch dann kommt ihre Frohe Neujahrsbotschaft: Der Gürtel soll gelockert werden. Mit Konsum können wir Deutschland gemeinsam modernisieren! Neue Flachbildfernseher, Handys und Waschmaschinen „zum Einkaufspreis“ vom Technikdiscounter Media Markt sollen die Lösung sein.
Das passt doch alles nicht zusammen. Was hat die Regierungserklärung der Kanzlerin mit Media Markt zu tun? Mit diesem Werbespot beweist die Agentur Kempertrautmann im Auftrag des Technikdiscounters subtilen Humor. Denn mit den Angeboten von Media Markt ist es in der Regel wie mit den Wahlversprechen der Regierung: Die besten Angebote ergattert nur, wer vor den Märkten campiert. Und die Gunst der Regierung gewinnen ja auch nur diejenigen, die sich durch tapfere Lobbyarbeit rechtzeitig in Stellung gebracht haben.
Geradezu postmodern unpolitisch präsentiert die Hamburger Agentur Jung von Matt dagegen die Scheinkonkurrenz von Saturn: Streng nach dem Motto „sternhagelgünstig“ reist Bill Kaulitz von der Teenieohnmachtsband Tokio Hotel für das jüngere Kundensegment ins All. Dort misst sich der coole Nachwuchs-Emo mit dem dümmlichen Altrocker und Barkeeper Alice Cooper. Während der Jungstar kreischende Groopies per Knopfdruck präsentiert, umgibt sich Cooper mit runzligen Aliens. In Coopers Bar, die an die „Bar am Ende der Galaxis“ aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ erinnert, werden sie von einem Außerirdischen mit kunstvollem Vuvuzela-Spiel verzaubert und stellen fest: Es ist eben „alles eine Frage der Technik“. Also, eigentlich alles genau so wie bei Media Markt, der Kanzlerin und dem Schnäppchen- und Lobbyistengebuhle.
THOMAS STROTHJOHANN