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Archiv-Artikel

„Analoge Beruhigungspille“

Der Bayerische Rundfunk kriegt ein Jugendradio – allerdings nur digital, damit kein anderer Sender wegfallen muss

Der Bayerische Rundfunk (BR) hat alle Pläne für ein richtiges Jugendradio aufgegeben. BR-Intendant Thomas Gruber teilte in der Sitzung des Rundfunkrats am Donnerstag mit, dass er keines der bestehenden fünf UKW-Programme zugunsten einer Jungen Welle aufgeben werde. In den letzten Wochen war diskutiert worden, das Wortradio Bayern2 mit dem 24-Stunden-Klassiksender Bayern4 zusammenzuschalten – oder die Klassik ins Digitalradio zu schieben, für das teure Empfangsgeräte notwendig sind.

Jetzt hat das Digitalschicksal die Junge Welle getroffen: Weil sich der BR mit seinem Altersschnitt 50 plus doch irgendwie um seinen Nachwuchs sorgt, soll ab Sommer 2007 ein Jugendprogramm auf allen Verbreitungswegen gesendet werden, die der Staatsfunk aufzubieten hat – außer dem normalen UKW. Das Jugendprogramm wird per DAB zu hören sein, einem Verbreitungsweg, der noch im Juli vom BR als „wenig sinnhaft“ eingestuft worden war, weil die Sendeleistung zu schwach sei. Hörbar wird die Junge Welle weiter per Internet-Stream, eine Variante mit Fernsehbildern gibt’s auf TV-Spartenkanal BR-Alpha – und auch auf Mittelwelle wird gesendet.

„Einen Witz“ nennt die Rundfunkrätin und Landtagsabgeordnete Ulrike Gote (Grüne) „diese analoge Beruhigungspille“. Enttäuscht ist sie über das späte Bekenntnis des obersten BR-Chefs. „Hätte sich Gruber früher erklärt, dann wäre uns und dem Haus einiges erspart geblieben.“ Der Intendant hatte erst auf hartnäckige Nachfrage erklärt, dass ein Pläneschmieden für UKW sinnlos sei, da er keine der laufenden Wellen opfern werde. Eine Begründung lieferte er nicht. „Aber dann sollen sie es uns von Anfang an sagen, dass wir als Rundfunkrat nur kontrollieren sollen“, ärgert sich Gote.

Nach dem Scheitern der UKW-Bemühungen fordert die Rundfunkrätin Martina Kobriger (Präsidentin des Bayerischen Jugendrings) strenge Kriterien für das kommende Digitalradio ein: „Die Junge Welle muss auch digital von allen und überall zu hören sein – ohne soziale Auslese.“ Nicht jeder bayerische Jugendliche habe schließlich eine DSL-Flatrate zur Verfügung, um den Internet-Stream abzurufen. Und zur Disposition steht anscheinend auch wieder der „Zündfunk“, das einzige alternative Programmfenster im BR-Hörfunk. „Es wird über ein braveres ‚Zündfunk‘-Konzept geredet, dass sich besser in Bayern2 einfügen soll“, so Kobriger gegenüber der taz. „Man muss hier die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten.“

MAX HÄGLER