: Austausch für Wiederholungstäter
EUROPA Unter dem Namen „Erasmus plus“ bündelt die Europäische Union alle Austausch-Programme unter einem Dach. Von der Förderung sollen nicht mehr nur Studierende profitieren, sondern in Zukunft auch Auszubildende, Schüler Unternehmer oder Sportler
■ Auch über Europas Grenzen hinaus ist der Austausch möglich. Zu Erasmus Plus gehören nun auch Programme mit Lateinamerika oder den USA.
■ Fördern lassen können Schüler, Studenten, Auszubildende, Unternehmer und sogar Sportler ihren Auslandsaufenthalt. Im Durchschnitt gibt es 300 Euro pro Monat.
■ Im Bachelor und im Master können Studenten Erasmus künftig nutzen. Bisher war das nur einmal möglich. Neu ist ein zinsgünstiges Darlehen bis 18.000 Euro für ein Masterstudium im Ausland.
■ Längerfristig planbar sollen Auslandsaufenthalte sein, die Antragsmodalitäten weiter vereinfacht werden.
■ Mehr Infos: www.erasmusplus.de BIG
VON BIRK GRÜLING
Aufgewachsen in Brasilien, Highschool in den USA, Studium in Hamburg – Lucas Pagel de Souza hat viel von der Welt gesehen. Von den fünf Monaten Erasmus-Austausch in Amsterdam spricht der Wirtschaftsstudent von der HAW Hamburg trotzdem voller Begeisterung. „Die Stadt ist im Sommer wirklich schön und die Menschen dort sehr freundlich“, sagt er. Seine Wahl fiel eher zufällig auf die niederländische Stadt. Eigentlich wollte Lucas nach Stockholm. Allerdings gab es mit der dortigen Universität keinen Kooperationsvertrag. Ohne eine solche Vereinbarung zwischen den Hochschulen ist ein Erasmus-Austausch nicht möglich. Sie sichert die Anerkennung der Studienleistungen und den Wegfall der Studiengebühren.
Zur Hochschule in Amsterdam pflegt man in Hamburg engere Beziehungen. „Die Organisation lief wirklich problemlos“, erzählt Lucas begeistert. Sein WG-Zimmer in einem Studentenwohnheim konnte er online buchen. Um die Seminar-Anmeldungen kümmerte sich eine Koordinatorin in Amsterdam. Selbst die Erasmus-Anmeldung ist erstaunlich unbürokratisch. Ein Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und ein Fragebogen, mehr braucht man beim akademischen Auslandsamt nicht einzureichen.
Wer gehen darf, darüber entscheiden unter anderem die Noten und die Beliebtheit des Ziels. „Ich war die einzige Erasmus-Studentin aus meinem Studiengang. Darum hatte ich den Platz sicher“, erzählt Saskia Ellermeier. Das letzte Wintersemester verbrachte die angehende Sozialarbeiterin im sonnigen Málaga. Auch sie schwärmt in höchsten Tönen von ihrer Auslandserfahrung. Nach einem halben Jahr in Peru wollte sie ihr Spanisch weiter verbessern. „Ich habe mich wirklich in das Land verliebt. Ich hätte nie gedacht, dass Andalusien so schön ist“, sagt sie und lacht. Natürlich besuchte sie auch fleißig Vorlesungen – auf Spanisch versteht sich.
Englische Vorlesungen gibt es in Málaga ganz im Gegensatz zu Amsterdam nicht. In den Niederlanden ist Englisch Hochschulsprache für alle. „Natürlich ist es eine spannende Erfahrung, in einer anderen Sprache zu studieren und ein anderes Hochschulsystem kennenzulernen. Mindestens genauso wichtig ist aus meiner Sicht der Kontakt zu den Studenten aus allen Teilen der Welt“, sagt Lucas. Unter Studenten weiß so gut wie jeder von solchen Erasmus-Erlebnissen zu berichten oder kennt jemanden, der sie erzählen kann.
Seit Start des Austauschprogramms 1987 waren etwa drei Millionen junge Europäer für ihr Studium oder ein Praktikum mit Erasmus im Ausland. Diese europäische Erfolgsgeschichte will die EU weiter ausbauen, mit einem neuen Programm namens Erasmus Plus. Neu ist vor allem die Bündelung und die finanzielle Sicherung aller Programme bis 2020. Außerdem wird der internationale Austausch weiter ausgebaut: Studenten können jetzt auch im Bachelor und im Master ein Erasmus-Semester einlegen. Bisher war das nur einmal im Studium möglich. Neu ist auch ein zinsgünstiges Darlehen bis 18.000 Euro für ein Masterstudium im Ausland.
Davon profitiert Erasmus-Spitzenreiter Deutschland. Allein im letzten Semester haben 35.000 Studenten hierzulande teilgenommen – so viele wie nie. Das beliebteste Ziel ist und bleibt Spanien, dicht gefolgt von Frankreich und Großbritannien. Aber auch „Exoten“ wie Finnland, Schweden oder Irland sind stark nachgefragt.
Bei Auszubildenden, eine wichtige Zielgruppe von Erasmus Plus, liegt das englischsprachige Ausland auf Platz Eins. Für sie ist der Gang ins Ausland lange noch nicht so selbstverständlich wie für Studenten. Bundesweit gehen nur etwa vier Prozent in oder direkt nach der Ausbildung ins Ausland. Das soll sich mit Erasmus Plus ändern. 2020 sollen 275.000 Studierende, 150.000 Auszubildende und 130.000 Schüler an dem Programm teilnehmen, so das erklärte Ziel des Bundesbildungsministeriums.
Insgesamt hat die EU 14,8 Milliarden Euro für das neue Programm bereitgestellt. Das meiste Geld fließt nach wie vor in die finanzielle Förderung des Austausches. Zwischen 200 und 300 Euro monatlich bekommen die Studierenden im Ausland. In den meisten Ländern deckt das 60 bis 80 Prozent der Lebenshaltungskosten. Das restliche Geld müssen die Studierenden aus eigener Tasche aufbringen. Der Erasmus-Zuschuss wird in zwei Raten gezahlt. Eine Erste, kleinere gibt es direkt vor dem Erasmus-Semester, die Zweite nach der Rückkehr und auch nur, wenn die Leistungen stimmen.
„Ich habe mir in Amsterdam sieben Kurse ausgesucht“, sagt Lucas Pagel de Souza. Neben internationalem Recht und Entwicklungsmärkten belegte er Seminare zur lateinamerikanischen Wirtschaft. Bestanden hat er alle, auch anerkannt wurden die Leistungen schon. Ähnlich reibungslos klappte es auch bei Saskia Ellermeier. „Mit meinen Professoren gab es keine Probleme“, sagt sie. Beide könnten sich sogar vorstellen, noch für ein weiteres Semester ins Ausland zu gehen.