Platzeck verprellt seine treuen Genossen

Jahrelang galt Ministerpräsident Matthias Platzeck in der brandenburgischen SPD als unumstrittene Lichtgestalt. Doch sein Führungsstil nervt die Partei zusehends – mit Folgen: Erstmals verweigert sie dem Chef die Gefolgschaft

BERLIN taz ■ In Brandenburg war Matthias Platzeck bisher ein unangefochtener König. Seine Getreuen von der SPD gingen mit ihm durch dick und dünn. Plötzlich jedoch verweigern sich acht sozialdemokratische Parlamentarier seinen Plänen, das Weihnachtsgeld für Beamte zu kürzen. Es ist eine neue Erfahrung für den Regierungschef: Erstmals folgt die Landes-SPD nicht – und zu allem Überfluss droht auch noch der Finanzminister mit Rücktritt.

Das bisher reibungslos funktionierende System Platzeck ist in der Krise. Lautes Murren oder gar eine Revolte gegen ihn – das hatte es selbst nach seinem Rücktritt vom Vorsitz der Bundes-SPD nicht gegeben. Anders als der Beinahe-Berliner Edmund Stoiber saß Matthias Platzeck stets sicher auf dem Thron.

Die angedrohte Kürzung des Weihnachtsgeldes ist zweifellos nicht die einzige Ursache der politischen Turbulenzen in Potsdam. Platzeck und seine Spitzenleute trafen in letzter Zeit einige einsame und für die Fraktion unverständliche Entscheidungen. Zuerst präsentierte der Ministerpräsident gemeinsam mit seinem Fraktionschef – aber ohne Absprache mit den übrigen SPDlern – eine neue Chefin für den Landesrechnungshof. Danach versuchte Platzeck, einem Nochminister die Pensionsansprüche durch eine Besetzungsposse zu sichern: Er plante, den Genossen für einen Tag zum Staatssekretär zu machen – um ihn dann als Oberbürgermeister nach Cottbus zu entlassen. Und schließlich kam noch der wochenlange Streit um das Weihnachtsgeld hinzu.

Offenbar ist Platzeck mit seinem Charme und seinem politischen Instinkt nicht mehr in der Lage, der Unbill aus den eigenen Reihen noch Herr zu werden. Auch das spezielle System von Verflechtungen innerhalb der SPD und sein Kreis enger Vertrauter, auf die der Potsdamer seine Macht stützt, funktionieren nicht mehr reibungslos. Als Platzecks Paladine gelten drei Männer, die dafür da sind, ihm Ärger vom Hals zu halten und Entscheidungen für ihn vorzubereiten: SPD-Generalsekretär Klaus Ness ist der politisch-strategische Denker. Fraktionschef Günther Baaske ist der Streichler der Abgeordneten und vermittelt ihnen die Entscheidungen des inneren Zirkels. Und der Finanzminister und frühere Staatskanzleichef Rainer Speer gibt den Kardinal Richelieu, der als Strippenzieher und Mann fürs Grobe den Weg für die Erlasse des Quartetts bahnt.

Die vier Männer treffen die wichtigen Entscheidungen in der SPD, die Fraktion hat zu folgen. Platzecks Lieblingswort sei „alternativlos“, sagt die Fraktionschefin der oppositionellen PDS, Kerstin Kaiser.

SPDler würden sich öffentlich kaum derart äußern. Denn auch Personalentscheidungen trifft der engere Kreis. Treue wird belohnt, wer jedoch in der Öffentlichkeit Platzeck oder Speer angreift, hat kaum noch Karrierechancen. „Intern darf diskutiert werden“, sagt eine SPD-Genossin, die der Bannstrahl getroffen hat, „doch wehe, es gerät nach außen.“ Ähnlichkeiten mit der Basta-Politik des Platzeck-Vorbildes Gerhard Schröder sind unübersehbar.

Ärger über diesen Herrschaftsstil staut sich in Brandenburg schon länger auf, aber für eine Revolte fehlt der Anführer. Schwergewichte wie den ehemaligen Bildungsminister Steffen Reiche hat Platzeck früh aus dem Machtzentrum entfernt. Die einzigen profilierten Politiker in Potsdam sind seine Getreuen. Daher glaubt auch niemand, dass der Ministerpräsident jetzt fallen wird. Fraktionschef Günter Baaske ist gar der Meinung, der parteiinterne Zorn auf seinen Vorgesetzten sei „einer Anhäufung unglücklicher Zufälle zu verdanken“. Immerhin gibt er, wie übrigens auch Platzeck zu, dass es „wohl hier und da Kommunikationsprobleme gegeben hat“.

Doch kleine Knickse vor der Fraktion dürften dieses Mal nicht reichen. „Matthias sollte seine Politik wieder etwas umgänglicher gestalten“, sagt ein Vertrauter aus früheren Tagen. Den Genossen müsse wieder das Gefühl gegeben werden, dass ihre Meinung etwas zähle.

DANIEL SCHULZ