: Der lächelnde Werber
Stellvertretende Ministerpräsidenten aus dem Ausland erfahren in Deutschland meist geringe Aufmerksamkeit und treffen oft nur wenige hochrangige Regierungsvertreter. Bei Li Keqiang, der Donnerstag in Berlin eintraf, ist das anders. Zwar ist er nur einer von vier stellvertretenden Ministerpräsidenten Chinas. Andererseits ist er das einzige von zwei Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros, das beim Parteitag 2012 seinen Platz im Machtzentrum der chinesischen KP behalten dürfte. Den Prognosen nach wird Li zum Regierungschef aufsteigen. Deshalb wird er jetzt vom Bundespräsidenten, der Kanzlerin sowie dem Außen- und Wirtschaftsminister empfangen.
Neben dem mutmaßlichen künftigen Staats- und Parteichef Xi Jinping wird der 55-jährige Li zum Kern der sogenannten fünften Führungsgeneration der Volksrepublik gezählt. Und sowohl diese Kader wie China insgesamt werden für Europa immer wichtiger. Dies zeigte Li schon jetzt bei seinem gerade beendeten Besuch in Spanien. Dort versprach er Großinvestitionen in spanische Staatsanleihen, vereinbarte Milliardenverträge und warb lächelnd für mehr Kooperation. Letzteres wird er auch hierzulande machen.
Li ist der Sohn eines Provinzbeamten aus dem zentralchinesischen Anhui. Nach der Kulturrevolution studierte er Jura und Ökonomie in Peking, wo er 1982 in der Anfangsphase der Reformen in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Karriere machte er in der kommunistischen Jugendliga. Das brachte ihn mit deren damaligem Vorsitzenden, dem heutigen Staats- und Parteichef Hu Jintao, zusammen. Li gilt als dessen Zögling.
1998 wurde Li mit 43 Jahren in Henan zu Chinas jüngstem Gouverneur. Dort beteiligte er sich an der Vertuschung eines großen Aids-Skandals. 2004 wurde er Parteichef in der nordöstlichen Schwerindustrieprovinz Liaoning, wo er erfolgreich Wirtschaftsreformen durchsetzte. Persönlich ist über Li, der mit einer Wirtschaftsprofessorin verheiratet ist, wenig bekannt. Laut Wikileaks beschrieb ihn der US-Botschafter 2007 nach einem Treffen als „gut informiert“, „humorvoll“, aber auch „verschlossen in persönlichen Dingen“.
SVEN HANSEN