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Archiv-Artikel

Schülerdemo Auslaufware Solidarität

In diesem lauen Winter gibt es viele Gründe, eine Demo am Vormittag zu schwänzen. Ein verträumter Spaziergang durch knospende Haine könnte einer sein, ein verheuschnupftes Erwachen am Morgen leider auch.

Vielleicht lag es wirklich am Wetter, dass gestern Morgen um neun Uhr kein einziger Demonstrant am U-Bahnhof Gneisenaustraße wartete. Dort sollte eigentlich eine Solidaritätsdemo für Brandenburgs Schüler starten. Die werden von ihrer Landesregierung mit einem neuen Schulgesetz traktiert. Danach soll die Grundschule nur noch vier statt bisher sechs Jahre dauern; zudem sind Begabtenklassen geplant, was erwartungsgemäß auf Kritik einiger Schüler stößt.

Nach 20 Minuten hatte sich an der Gneisenaustraße immerhin ein Häuflein solidarischer Berliner gebildet, darunter auch zwei Schüler. Der Rest rekrutierte sich aus den Demo-Routiniers der Berliner Unis. „Wir haben die Demo erst vorige Woche geplant, das war wohl zu kurzfristig“, erklärt René Held die Zurückhaltung der Schüler. Held ist 28 und Referent für Hochschulpolitik beim Asta der Humboldt-Uni. Man laufe nicht nur für die Einführung von Gesamt- und Ganztagsschulen. Auch die „bessere Vernetzung von Schülern und Studierenden“ sei wichtig.

Arian Wendel ist mit 25 ebenfalls nicht mehr im schulpflichtigen Alter. „Unsere Bildungssystem ist zu selektiv, Migranten haben weniger Chancen auf eine gute Ausbildung, Schule darf nicht profitorientiert sein“, sagt der Berufsschüler das Einmaleins linker Bildungspolitik auf. Nur solidarische Mitschüler herbeizaubern kann er nicht.

Die Polizisten, die mit 200 Teilnehmern gerechnet hatten, blieben also in ihren Einsatzwagen sitzen – für die Ordnungshüter nichts Neues: „Es passiert öfter, dass viel weniger Demonstranten kommen, als angemeldet waren“, so eine Polizeisprecherin.

Schließlich marschierten zehn Teilnehmer in Richtung Yorckstraße, und zwar „ohne zu demonstrieren“, so die Polizei. Mit der S-Bahn fuhren sie dann nach Potsdam, um ihre Brandenburger Mitschüler zu unterstützen. Dort gingen 500 Demonstranten gegen das neue Schulgesetz auf die Straße.

Die Schüler können auch ganz anders: Für eine Demo gegen Lehrermangel am spätsommerlichen 13. September dieses Jahres waren 500 Teilnehmer angemeldet. Damals kamen zehntausend. Sebastian Kretz