: Gespräche mit beidseits gutem Willen
ATOMVERHANDLUNGEN Ein bilaterales Treffen hochrangiger Regierungsmitglieder aus USA und Iran soll den Durchbruch bringen. Zentrale Streitfrage ist Teherans „Ausbruchsfähigkeit“ aus einem Abkommen
AUS GENF ANDREAS ZUMACH
Die US-Regierung hat nicht nur ihre bisherige Verhandlungsführerin Wendy Sherman zu Wochenbeginn nach Genf geschickt, sondern auch Vizeaußenminister William Burns und Jacob J. Sullivan, den nationalen Sicherheitsberater von Vizepräsident Joseph Biden. Burns und Sullivan hatten im Frühjahr 2013 in Oman die Geheimgespräche mit iranischen Regierungsvertretern geführt, die nach der Wahl des iranischen Präsidenten Hassan Rohani im August zur Aufnahme offizieller Atomverhandlungen zwischen Iran und der Staatengruppe 5+1 (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland) führten. Diese Verhandlungen erbrachten eine bis zum 20. Juli begrenzte Interimsvereinbarung mit Einschränkungen für das iranische Atomprogramm und ersten Lockerungen der Wirtschaftssanktionen gegen Teheran. Aus Iran reiste zusätzlich zu Chefunterhändler Abbas Araghchi mit Madschid Tacht Rawanchi ein weiterer Vizeaußenminister nach Genf.
Rang und Namen der nach Genf entsandten Delegationen zeigen, wie sehr US-Präsident Barack Obama und seinem iranischen Amtskollegen Rohani an der Vereinbarung eines Abkommens möglichst bis zum Ablauf des Interimsabkommens am 20. Juli gelegen ist. Beide Präsidenten stehen unter zunehmendem Druck innenpolitischer Widersacher, die ein Abkommen entweder grundsätzlich ablehnen oder zumindest sehr viel härtere Verhandlungspositionen ihrer Regierung fordern.
Hauptstreitpunkte sind Umfang und Leistungsfähigkeit des künftigen iranischen Programms zur Urananreicherung. Teheran ist zwar bereit, Uran künftig nur noch auf den zur Energiegewinnung in Nuklearreaktoren erforderlichen Grad von fünf Prozent anzureichern. Dennoch sind die Zahl und Leistungsfähigkeit der Zentrifugen zur Urananreicherung, die Iran künftig funktionsbereit installieren darf, der schwierigste Streitpunkt der Verhandlungen. Denn diese Faktoren sind wesentlich für die „Ausbruchsfähigkeit“ Irans: also die technische Fähigkeit – nach einer Kündigung oder unter Verletzung eines künftigen Abkommens – innerhalb eines bestimmten Zeitraums Uran auf den zur Entwicklung von Atomwaffen benötigten Grad von 90 Prozent anzureichern.
Die US-Regierung will sicherstellen, dass Teheran dafür mindestens ein Jahr benötigt und daher die Zahl der installierten Zentrifugen auf maximal 3.000-5.000 beschränken. Teheran lehnt eine Obergrenze für die Zahl der Zentrifugen bislang strikt ab. Mit der Kontrolle der Urananreicherungsanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) sei sichergestellt, dass die auf fünf Prozent angereicherten Uranvorräte sofort beim Einsatz in Atomkraftwerken verbraucht und nicht gehortet werden zur späteren Anreicherung auf 90 Prozent. Derzeit hat Iran knapp 20.000 Zentrifugen installiert. Russland und China halten ein Einfrieren auf das derzeitige Niveau für ausreichend.
Die zweite Streitfrage existiert exklusiv zwischen den USA und Iran. Washington will auch ein Verbot oder zumindest strikte Begrenzungen iranischer Raketen verankern, die Atomsprengköpfe tragen könnten. Diese „Vermischung“ lehnt die iranische Regierung strikt ab. Sie wäre aber bereit zu einem regionalen Abkommen, das auch die Raketenprogramme Israels, Saudi Arabiens und anderer Länder begrenzt. Teheran möchte die Gültigkeit eines Abkommens auf maximal fünf Jahre begrenzen. Danach sollen für Iran dieselben Verpflichtungen, Regeln und Kontrollen gelten, denen sich auch alle anderen 185 Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrages unterworfen haben. Washington drängt bislang noch auf eine unbegrenzte Gültigkeit. Ein Kompromiss wäre es, die Laufzeit eines Abkommens auf zehn Jahre festzulegen.