: Der letzte spektakuläre Auftritt
ISRAEL Mit Schimon Peres tritt der letzte Politiker der Generation der Staatsgründer ab. Verbindlichkeit und Vision zeichneten ihn aus. Dienstag wird sein Nachfolger gekürt
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Das gemeinsame Gebet mit seinem palästinensischen Amtskollegen Mahmud Abbas im Vatikan ist wohl der letzte spektakuläre Auftritt von Israels Staatspräsident Schimon Peres. Das gemeinsame Gebet für den Frieden ist ein passender Schlussakkord im politischen Leben des fast 91-Jährigen. Ohne Zweifel gehört das Treffen mit Abbas, mit dem Peres vor gut 20 Jahren den gemeinsamen Weg zum Frieden aufnahm, für ihn zu den leichteren Übungen. Verbindlichkeit und der richtige Ton ist die große Stärke des scheidenden Staatsmannes, dem letzten von Israels Gründergeneration. Am Dienstag wählt die Knesset seinen Nachfolger.
Der im weissrussischen Schtetl aufgewachsene Sozialdemokrat war gerade 23 Jahre alt, als David Ben-Gurion den jungen Parteigenossen von der Mapai (Vorläufer der Arbeitspartei) unter seine Fittiche nahm. Von Beginn an predigte Peres den Frieden auch um den Preis territorialer Verzichte. Dabei blieb ihm selbst der große Durchbruch stets verwehrt. 1994 erhielt er zwar gemeinsam mit dem damaligen Regierungschef Jitzhak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat den Friedensnobelpreis, ohne jedoch jemals ein Ende des Konflikts mit den Palästinensern zu erreichen. Israels zwei Friedensabkommen unterzeichneten andere: Menachem Begin schloss mit Ägypten Frieden und Rabin mit Jordanien.
Paradoxerweise hinterlässt der Politiker, dem wie keinem anderen der Ruf anhängt, um Versöhnung mit den arabischen Nachbarn zu ringen, die tiefsten Spuren militärisch, mit Munition, Panzern, Kampfflugzeugen und Atombomben. „Ich zog die Uniform an, lehnte es aber ab, einen hohen militärischen Rang zu bekleiden“, schrieb er in seinem 1995 auf Deutsch veröffentlichten Erinnerungen mit dem bezeichnenden Buchtitel „Schalom“. Peres leistete seinen Beitrag zur Sicherheit des Landes in Zivilkleidung, zuerst als Staatssekretär und später als Minister für Verteidigung.
Als ewiger Zweiter musste Peres immer wieder Wahlschlappen einstecken. Obschon er für zwei kurze Perioden an der Spitze der Regierung stand, hatten ihn die Israelis nie gewählt. „Ich bin ein Loser?“, fragte er 1997 nur Monate nach der Niederlage gegen Netanjahu den Parteitag ungehalten, und die Genossen riefen: „Jaah!“ Keine zwei Jahre waren zu diesem Zeitpunkt nach dem Mordanschlag auf Rabin vergangen. Peres hatte die schwindende Popularität im Volk und in der Partei selbst verschuldet.
Um den Druck auf Damaskus zu verstärken und dem erklärten Ziel, einen Frieden mit Syrien zu erzwingen, begann er im Jahr 1996 einen Krieg gegen die schiitische Hisbollah im Libanon, wo bei einem Flugangriff auf das Dorf Kana über hundert Zivilisten starben. „Uns treibt weder Blut noch Abenteuer“, kommentierte er damals sichtlich erschüttert. Der Angriff im Libanon und der von ihm in Auftrag gegebene Mordanschlag auf den palästinensischen Terroristen Yahya Ayyash in Gaza, den die Hamas erstmals mit einer Serie von Selbstmordanschlägen rächte, ließen den sicheren Favoriten Peres bei den Wahlen scheitern. Die arabischen Israelis boykottierten den Urnengang, und die unschlüssigen Juden im Land entschieden sich für den konservativen Netanjahu.
Der Westen hingegen verzieh dem belesenen Visionär des Neuen Nahen Ostens, der zu jeder Gelegenheit ein passendes Zitat oder eine Volksweisheit parat hält, rasch. Wenn Peres von der Notwendigkeit spricht, Israel als jüdischen Staat zu definieren, klingt es eben anders, als aus dem Munde eines Netanjahu,vor allem in den Ohren seiner Freunde bei der Sozialistischen Internationale. Daheim gewann Peres, den Rabin einst einen „ewigen Intriganten“ schimpfte, die Herzen der Menschen erst in den letzten sieben Jahren als Präsident. Den Staat repräsentieren kann er auch im Alter von 90 noch besser als alle anderen.