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Der Europäische Gerichtshof hat die Klage der Bundesrepublik gegen das Tabakwerbeverbot abgelehnt. Nun kann die EU-Richtlinie doch noch bis Ende dieses Jahres in Kraft treten
FREIBURG taz ■ Die Ohrfeige kam wie erwartet: Gestern lehnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die deutsche Klage gegen das EU-Tabakwerbeverbot ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte die deutsche Politik ihren Widerstand allerdings bereits aufgegeben. Der Bundestag hat die entsprechende EU-Richtlinie Anfang November nun doch in deutsches Recht umgesetzt. Am kommenden Freitag wird auch der Bundesrat zustimmen. So kann das Werbeverbot in Deutschland dann wohl doch noch dieses Jahr in Kraft treten.
Der Streit drehte sich um eine Richtlinie des EU-Ministerrats aus dem Jahr 2001. Darin hatte die EU ein Verbot von Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften, im Rundfunk und im Internet angeordnet. Außerdem wurde Tabakfirmen das Sponsoring von grenzüberschreitenden Veranstaltungen wie der Formel 1 untersagt. Die Richtlinie war bis zum 31. Juli 2005 umzusetzen, Deutschland ist also fast 18 Monate säumig. Tabakwerbung im TV ist – auf anderer Grundlage – schon seit langem verboten.
2003 hatte die damalige Bundesregierung gegen das Werbeverbot eine Klage eingereicht. Europa sei nicht für eine einheitliche Gesundheitspolitik zuständig, meinte man damals in Berlin. Die EU stützte die Richtlinie zwar auf ihre Kompetenz zur Vereinfachung des Binnenmarkts – aber das hielt Deutschland für vorgeschoben. Schließlich würden 99,9 Prozent der deutschen Zeitungen und Zeitschriften im Inland verkauft, so dass der grenzüberschreitende Handel nicht berührt sei.
Mit dieser Argumentation hatte Deutschland nun aber wenig Erfolg. Nach Ansicht des EuGH dient das EU-weite Tabakwerbeverbot durchaus dem Abbau von Handelshemmnissen. In vielen EU-Staaten, wie Belgien und den Niederlanden, sei die Einfuhr ausländischer Zeitungen und Zeitschriften weit verbreitet. Und mit dem zunehmenden Online-Angebot von Zeitungen im Internet könnten die Probleme noch zunehmen, die aus national unterschiedlichen Werberegelungen folgen. Ein EU-einheitliches Werbeverbot erleichtere damit den Handel mit Medienprodukten. Bestimmte lokale Veröffentlichungen wie Mitteilungen örtlicher Vereine oder Telefonbücher seien von der EU-Regelung ohnehin ausgenommen.
Im Oktober 2000 hatte Deutschland noch triumphiert. Damals kippte das EU-Gericht auf deutsche Klage ein umfassendes EU-Tabakwerbeverbot. Grund: Im ersten Anlauf hatte die EU auch Kinowerbung und Plakattafeln miterfasst – und diese haben keine grenzüberschreitende Wirkung. Doch die europäische Kommission studierte das Urteil genau und stellte fest: Gegen Werbeverbote in Zeitschriften und Radio sowie beim Sponsoring haben die EU-Richter keine Bedenken. In einem zweiten Anlauf beschränkte sich das Tabakwerbeverbot deshalb auf Zeitschriften, Radio, Internet und Sponsoring.
Die deutsche Klage hatte also vor allem symbolische Wirkung, denn mit einem Meinungswechsel der EU-Richter binnen so kurzer Zeit war kaum zu rechnen. Auch EuGH-Generalanwalt Philippe Léger hatte im Juni eine Abweisung der Klage empfohlen. Daraufhin hat Verbraucherminister Seehofer die Umsetzung der Richtlinie eingeleitet. (Az.: C-380/03) CHRISTIAN RATH