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Archiv-Artikel

Wenn Blut von der Leinwand tropft

Mit „Off Screen“ findet das erste „Trash-Art-Film-Festival“ in Bremen statt

Das Kino begann als eine Jahrmarktsattraktion, und auch wenn es sich dann zur jüngsten (und teuersten) Kunstform entwickelte, bleibt selbst bei seinen bedeutendsten und sublimsten Meisterwerken immer ein wenig Flitter bemerkbar. Filme befriedigen die Schaulust, vor der Leinwand sind wir alle Voyeure - und vielleicht ist ja das Kino dann am ehesten bei sich selbst, wenn es dies erst gar nicht mit einem hohen Kunstanspruch zu kaschieren versucht. Das schöne deutsche Wort „Schund“ ist schon fast ausgestorben und durch das amerikanische „Trash“ ersetzt worden, das in Deutschland die Sprengkraft der negativen Bewertung mildert. Aber erinnern Sie sich bitte daran, dass genau die gleiche Diskussion, die heute über die jugendgefährdende Wirkung von Killer-Computerspielen geführt wird, in den 90er Jahren über Horrorvideos stattfand.

Dabei erregt man sich immer noch gerne über besonders brutale, obszöne oder blasphemische Filme. Der amerikanische Filmkritiker Roger Ebert, der alles andere als ein bigotter Sittenwächter ist, war von dem Horrorstreifen „Wolf Creek“ so angeekelt, dass er ihn mit einem Mann verglich, der in einer Jahrmarktsshow (!) einem Huhn den Kopf abbeißt: „No fun for us, no fun for the guy, no fun for the chicken!“ Der Filmtheoretiker Georg Seeßlen kam in seiner Kritik des Film zu einem ganz anderen Ergebnis und sieht ihn als „eine treffende Studie der Angst und des Terrors in einem verlorenen Land.“ Heute Abend um 20.30 können sie selber im Kino 46 überprüfen, welche Lesart des australischen Spielfilms Ihren Sensibilitäten eher entspricht. Davor gibt es um 18 Uhr mit dem spanischen Gruselfilm (inzwischen auch eine sprachliche Antiquität) „Die Stunde der grausamen Leichen“ ein ähnlich nervenaufreibendes Werk aus den 70er Jahren, dessen damaliger Verriss im katholischen Filmdienst (“Einer der primitivsten, dümmsten und geschmacklosesten aller bisher gedrehten Horrorfilme.“) sich heute eher wie eine Empfehlung liest.

Das kleine bis Dienstag laufende Festival präsentiert verschiedene Aspekt des billigen, abseitigen Kinos und zeigt mit der Dokumentation „Die Trash-Cineasten“ von Egon Bunne am Freitag um 18 Uhr auch eine filmische Zusammenfassung des Phänomens, bei der Filmclub-Aktivisten, Videothekenbesitzer, Besucher von Sammlerbörsen und Filmwissenschaftler zu Wort kommen.

Als Gast wird der Meister des deutschen Trash Wenzel Storch erwartet, mit dem verglichen Christoph Schlingensief ein braves Bürgersöhnchen ist. Seine Werke sind Phantasmagorien, die nur ihrer eigenen Traum- oder besser Trip-Logik folgen. Seinen ersten Film „Sommer der Liebe“ hat er mit extrem wenig Geld, drei wackeligen Super-8-Kameras, Requisiten, die er sich auf dem Sperrmüll und Flohmärkten zusammensuchte, und Laiendarstellern, von denen die meisten in Discos aufgrund der Länge ihrer Haare ausgesucht wurden, zusammengebastelt. Denn die meist Trash-Filmemacher sind nicht etwa halbseidene Geschäftemacher sondern Überzeugungstäter. Peter Jackson, der Regisseur der „Herr der Ringe Trilogie“ hat auch mit dreckigen, kleinen Blutspritzern angefangen.

Der Amerikaner Jack Stevenson ist ein Filmkritiker und -Sammler, der sich auf dieses schräge Kino spezialisiert und er wird am Wochenende drei Programme mit seinen Fundstücken zu den Themen Sex, Kriegspropaganda und Drogen präsentieren. Der Kurator des Osnabrücker European Media Art Festival Ralf Sausmikat stellt am Sonntag ebenfalls drei Programme mit Kurzfilmen und Videos vor, in denen es um den Bildersteinbruch Hollywood, Anarchie in den USA und die Überwachung des öffentlichen und privaten Raumes geht.

Wilfried Hippen