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Archiv-Artikel

Neue AG Rauchverbot

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die Kanzlerin, das Bundeskabinett und die Ministerpräsidenten aus den Ländern: Die politische Elite des Landes beschäftigte sich gestern mit dem Thema Rauchverbote. Am Abend stellte Angela Merkel ein „gemeinsames Grundverständnis“ fest. Man sei sich einig, dass der „Schutz von Nichtrauchern nachhaltig verbessert werden“ müsse, sagte Merkel nach einem Treffen mit den Länderchefs in Berlin. Mehr Konsens war noch nicht zu erreichen.

Erst einmal wird wieder eine Arbeitsgruppe gebildet. Die zweite. Diesmal organisieren die Länder die Beratungen, der Bund wurde dazu „eingeladen“. Bis März soll es Ergebnisse geben, teilte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit. Ziel sei es, einen gesetzlichen Flickenteppich zu vermeiden. Eine Arbeitsgruppe aus Experten der großen Koalition in Berlin hatte kürzlich bereits Vorschläge gemacht, wurde aber zurückgepfiffen. Aus dem Plan, das Rauchen in allen deutschen Speisegaststätten zu verbieten, in Kneipen aber zu erlauben, wurde nichts, weil Justiz- und Innenminister Bedenken hatten: Das Gaststättenrecht sei Ländersache.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) versicherte gestern, der Bund werde in den Bereichen, in denen er Kompetenzen habe, „konsequent“ Maßnahmen für mehr Nichtraucherschutz umsetzen – etwa in öffentlichen Einrichtungen des Bundes, im Bundestag, in Arbeitsämtern und Verkehrsmitteln wie der Bahn. In vielen wichtigen Bereichen aber wie Gaststätten, Krankenhäusern und Schulen liegt die Zuständigkeit nach Auffassung der großen Koalition jetzt bei den Ländern oder den Kommunen – und eine bundesweit einheitliche Regelung ist nicht in Sicht.

Insbesondere der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Chef Kurt Beck dämpfte die Erwartungen: „Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn wir ohne Gesetz auskommen könnten.“ Peter Müller (CDU) aus dem Saarland findet: „Die Welt geht auch nicht unter, wenn es an der einen oder anderen Stelle eine unterschiedliche Regelung in den einzelnen Bundesländern gibt.“ Sein hessischer Kollege Roland Koch (CDU) warnte vor dem Aufbau einer Riesenbürokratie und prophezeite: „Deutschland wird am Ende vielfältig sein.“

Die Bundesgesundheitsministerin zeigte sich dennoch überzeugt, dass der Nichtraucherschutz verbessert werde. Zusammen mit Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) versuchte sie die „Eckpunkte“, die das Kabinett gestern beschloss, als großen Erfolg der großen Koalition zu verkaufen. „Ab heute ticken die Uhren anders“, behauptete Schmidt sogar. Die Regierung habe festgehalten, dass ein möglichst umfassender Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens notwendig sei. „Es ist deutlich geworden, dass der Weg der Freiwilligkeit nicht ausreicht“, sagte Schmidt. Noch deutlicher wurde aber ihr Kompetenzverlust. Zu Vorschriften in Gaststätten sagte Schmidt: „Das ist die Entscheidung der Ministerpräsidenten, wie sie das umsetzen.“

Selbst für die Bereiche, die eindeutig Bundessache sind, wagte Schmidt keine klaren Ansagen. So bejahte sie die Frage, ob sie ein Rauchverbot in Zügen durchsetzen wolle, erklärte aber, denkbar seien auch „Raucherwaggons“, die abgetrennt von anderen Waggons fahren könnten. In Behörden und Ministerien setzt Schmidt auf „Vereinbarungen“ für Rauchfreiheit, „ohne dass wir das gesetzlich regeln müssen“. Auch Seehofer wollte da nicht mehr viel über Verbote sprechen. Seine Lieblingswörter gestern: „Bewusstseinsentwicklung“ und „Mentalitätsveränderung“.

Nur beim Jugendschutz legte sich Schmidt fest. Es sei „eindeutig“ Sache des Bundes, die Gesetze so zu ändern, dass Jugendliche erst ab 18 Jahren Zigaretten kaufen dürfen und nicht mehr ab 16. An welchen Orten aber Erwachsene künftig noch rauchen dürfen und wo nicht? Antwort, vielleicht, im März.