schurians runde welten : Die letzte Schlacht gewinnen
„Wir haben den Sommer durchgespielt, dann stürze ich mich in eine neue Stadt, einen neuen Verein, ein neues Umfeld. Da war vieles nicht so einfach.“ (Lukas Podolski)
Podolski hat seinen Führerschein nicht gekauft, das heißt, er wird schon dafür bezahlt haben, aber „gekauft“ hat er ihn nicht. Anders als „40 Bundesligastars“. Das zumindest behauptet die Bild-Zeitung. Also jenes Blatt, das gerade dabei ist, sich selbst zu zerlegen und den ganzen Sportjournalismus gleich mit. Oder was hat es zu bedeuten, wenn der Verband der Sportjournalisten zusammen mit Bild das Recht auf freie Berichterstattung einklagt? Genauso gut könnte man mit Irans Mahmud Ahmadinedschad für das Existenzrecht des Staates Israel demonstrieren.
Wie es scheint, hat Bild gerade mehr Gegner als seinerzeit, als auf linke Studenten angelegt wurde oder Günter Wallraff herausfand, was eh schon alle wussten – dass Bild unbarmherzig, roh und zynisch mit menschlichen Schicksalen umgeht. Ironischerweise hat sich das Blatt jetzt mit den Menschen angelegt, die früher eher auf Seiten der Springerpresse standen.
Wer Bild öffentlich liest, sagt ja gerne, er lese nur den gut informierten Sportteils – genau das ist keine gute Ausrede mehr. Weil Politik in Zeiten der Großkoalition kaum noch interessiert, das bisschen Politikerpension auch nicht mehr aufregt, ist Fußball zum Kernfeld der Meinungsmacher geworden. Hier geht es um die Hegemonie des Dumpfdeutschen, um die Vorherrschaft von Neid und Missgunst, Sexismus und Chauvinismus. Erst recht seit Bild sich schwer tut mit den neuen Fußballfunktionären und Fußballstars, die lieber mit Zeit, Spiegel oder SZ sprechen, als mit den alten Männern vom Boulevard.
Es ist also auch eine Art Existenzangst, wenn Bild einen afrikanischen Fußballer absaut, weil der das deutsche Publikum beleidigt habe, obschon ihm die Zuschauer es gar nicht verübeln wollen. Wenn Bild jede Latrinenparole aus der Schalker Mannschaft vermeldete, nur weil die Führung abgesägt werden soll. Und wenn das Blatt jetzt versucht, brasilianische Fußballprofis samt Fahrlehrer zu beschmutzen, weil sie beim Führerscheinmachen nachgeholfen haben. Eine grotesk läppische Geschichte, die beweist wie sehr der Boulevard unter Druck ist.
Dass Bild sich gegen den Zeitgeist wehrt, der Nationalmannschaftskapitäne hervorbringt, die von ihren „Intentionen“ sprechen, ist kein Wunder, sondern Notwehr. Dass aber die Zunft der Sportreporter aufschreit, wenn HSV-Mitglieder keinen Bock auf Presse haben, dass der Fachverband die Schalker Verantwortlichen auffordert, die Spieler wieder zum Reden zu zwingen, was ist das? Kadavergehorsam?CHRISTOPH SCHURIAN