: Dutschke ist jetzt im Kasten
Der Kampf um die Rudi-Dutschke-Straße geht in die letzte Runde. Heute werden die Wahlunterlagen für den Bürgerentscheid am 21. Januar verschickt. CDU, PDS und Grüne planen Straßenwahlkampf
von Gereon Asmuth
Im Straßenkampf bekommt der Bürger das Wort. Darf Friedrichshain-Kreuzberg dem Studentenführer Rudi Dutschke eine Straße widmen? Oder wäre das eine zu große finanzielle Belastung für die Anwohner? Darüber soll der erste Bürgerentscheid des Bezirks am 21. Januar befinden. Heute werden die Wahlunterlagen für den Urnengang an alle Wahlberechtigten versandt.
Damit geht die zweijährige Debatte um die Rudi-Dutschke-Straße ins Finale. Zu Heiligabend 2004, dem 25. Todestag Dutschkes, hatte die taz vorgeschlagen, die Kochstraße nach dem führenden Kopf der Studentenbewegung zu benennen. Die Bild-Zeitung und andere Blätter des Springer-Verlages hatten Dutschke in den 60er-Jahren zum Feindbild der Mehrheitsgesellschaft stilisiert. Am 11. April 1968 wurde er von einem Hilfsarbeiter niedergeschossen. Elf Jahre später starb er an den Spätfolgen. Schon am Abend des Attentats hatten Studierende versucht, die Auslieferung der Bild zu verhindern– mit einer Blockade des Springer Verlags. Der stünde nach der Umbenennung an der Kreuzung Rudi-Dutschke- Ecke Axel-Springer-Straße.
Mit Stimmen von PDS und Grünen hatte bereits im Sommer 2005 die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Ehrung beschlossen. Die CDU aber nutzte das gerade erst eingeführte Instrument des Bürgerbegehrens, um die Umbenennung zu verhindern. Nun hat der Wähler das letzte Wort.
Ein Informationsschreiben, das alle Wahlberechtigten ab morgen in ihren Briefkästen finden, fasst das Für und Wider zusammen. Die CDU nennt darin im Wesentlichen drei Argumente gegen die Dutschke-Straße. Zum einen würden Anwohner finanziell belastet, weil sie Ausweise oder Visitenkarten ändern müssten. Darüber hinaus bemängelt sie, dass die Anwohner nicht befragt wurden. Zuletzt kritisiert die Union, dass mit der Kochstraße eine der ältesten Straßen Berlins verschwinden würde, die zudem durch das ehemalige Zeitungsviertel über die Stadt hinaus bekannt sei.
Die BVV ist vom Gegenteil überzeugt. Eine Dutschke-Straße würde sich in die Tradition des Viertels gut einfügen, argumentiert sie in dem Infobrief. Dutschke habe „eine gesellschaftliche Bewegung mit aufgebaut und getragen, deren Ziele stets auch Meinungsfreiheit und eine starke Zivilgesellschaft waren“. Dutschke erinnere daher daran, wie wichtig eine vielfältige Zeitungslandschaft und eine kritische Gegenöffentlichkeit für die Demokratie seien.
Für einen erfolgreichen Bürgerentscheid müsste die CDU mehr als 27.000 Wähler zur Stimmabgabe bewegen (siehe unten) – eine große Aufgabe für eine lokale Splitterpartei wie die CDU. Bei der Abgeordnetenhauswahl im September kam sie im Bezirk nur auf rund 8.000 Stimmen. „Da wussten wir auch vorher, dass wir nicht den Bürgermeister stellen werden, und sind dennoch angetreten“, sagt Timur Husein, Bezirksvorsitzender der Jungen Union und Mitinitiator des Bürgerbegehrens. Eigene Wahlkampfveranstaltungen plant die Union vor dem Bürgerentscheid nicht. Sie will „getreu Rudi Dutschke“ nur in den Straßen mit Flyern werben.
Einen Straßenwahlkampf planen auch Grüne und Linkspartei – für die Umbenennung. Für eine kontroverse Diskussion sorgt das Kreuzbergmuseum – es plant ein Dutschke-Podium am 17. Januar. Die taz selbst lädt am 11. Januar zum „Rudi Slam“ in den Festsaal Kreuzberg. Bei dem Redewettbewerb soll an die rhetorische Stärke Dutschke angeknüpft werden. Und am Abend des 21. Januar steht dann eine Wahlparty auf dem Programm – im tazcafé an der Rudi-Dutschke-Straße.