piwik no script img

Letzter Aufruf Tempelhof

Das Oberverwaltungsgericht verhandelt heute, ob der Senat den Flughafen Tempelhof im Oktober 2007 dichtmachen darf. Airlines haben gegen die Schließung geklagt. Die heftige Debatte über den Innenstadt-Airport wird das Urteil nicht beenden

von ULRICH SCHULTE

Still und starr ruht in diesen Tagen der Flughafen Tempelhof, nur selten rauscht eine Propellermaschine heran. Dennoch erzeugt der Airport viel Lärm in der politischen Landschaft, der jetzt noch mal anschwellen dürfte: Das Oberverwaltungsgericht verhandelt heute die Klage von einem Dutzend Fluglinien und Luftverkehrsfirmen, die sich gegen die vom rot-roten Senat beschlossene Schließung wehren.

Das mit Spannung erwartete Urteil wird von allen Beteiligten als Vorentscheidung gewertet: „Das wird ein Meilenstein in der Schließungsdiskussion“, heißt es in der Verkehrsverwaltung. Wenn das Gericht die Klage abweist, will der Senat den Flughafen zum 31. Oktober 2007 dichtmachen. Schon 2004 hat die Luftfahrtbehörde die Stilllegung des defizitären Flughafens genehmigt, die die Flughafengesellschaft beantragt hatte. Die betroffenen Airlines wollen die Tempelhof-Abmeldung um jeden Preis verhindern. Sie fürchten, dass auf den anderen beiden Flughäfen zu wenig Platz für ihre Linien ist – und dass sie durch einen Umzug Verlust machen.

Die Richter werden also nicht über ökologische oder historische, sondern vor allem über betriebswirtschaftliche Aspekte urteilen. Die Flughafengesellschaft argumentiert, sie könne den Tempelhof-Betrieb problemlos verteilen. In der vergangenen Woche reichte sie vor Gericht ein Konzept ein, nach dem Tegel die regulären Linien, etwa nach Brüssel oder Mannheim, aufnehmen könnte, während der Geschäftsverkehr, also Firmenjets oder Privatflieger, nach Schönefeld wandert. „Kapazität ist mehr als genug vorhanden“, sagt Sprecher Ralf Kunkel. Zumal es in Tempelhof immer leerer wird: Im November seien 44 Prozent weniger Passagiere auf dem Airport gestartet und gelandet als im Vorjahresmonat, so Kunkel. Der Grund ist, dass die Fluglinie dba nach Tegel umzog.

Ob das Gericht schon heute ein Urteil fällt, sei offen, sagte eine Gerichtssprecherin gestern. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Partei, die unterliegt, Berufung einlegt – zu wichtig sind die Folgen der Entscheidung. Klaus Wowereit (SPD) wird sich darüber ärgern: Der Regierende hätte die Debatte am liebsten so schnell wie möglich vom Tisch. Sie müsse endlich ein Ende haben, grummelte er in der jüngsten Parlamentssitzung.

Der Grund für Wowereits Nervosität: Die Schließung Tempelhofs war – ebenso wie das Versprechen, den Airport Tegel 2012 abzumelden – ein wichtiges Argument, mit dem Berlin den Bau des Großflughafens in Schönefeld vor dem Bundesverwaltungsgericht durchkämpfte. Wenn die Einmottung des von den Nazis gebauten Airports schiefgeht, könnten die obersten Richter viele nachgelagerte Klagen – etwa ein ergänzendes Verfahren zu Nachtflügen – ganz anders beurteilen, so die Befürchtung – und den Großflughafen doch noch ins Kippeln bringen.

Diese Furcht ist so übermächtig, dass sich der Senat in letzter Zeit fast ausschließlich auf dieses Argument zurückzieht. Andere Gründe, etwa die Belastung hunderttausender Neuköllner und Tempelhofer durch Lärm und Umweltgifte, spielen kaum noch eine Rolle. Das Bündnis der Tempelhof-Befürworter, das von CDU und FDP bis zu Wirtschaftsverbänden reicht, sieht sich dagegen im Aufwind.

Der weht vor allem transatlantisch. Erst bot der Investor Fred Langhammer an, 350 Millionen Euro für ein Gesundheitszentrum und ein Hotel im 300.000 Quadratmeter großen Gebäude lockerzumachen. Ende vergangener Woche meldete sich noch ein reicher Onkel aus Amerika: Die Gruppe Capricorn Management aus Kalifornien will in einen Businessflughafen mit angeschlossenem Konferenzzentrum investieren. Das Problem: Für beide Pläne wäre der Flugbetrieb Bedingung. Und der ist mit dem Senat nicht zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen