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Archiv-Artikel

Regierung bereit zum Abflug

Politiker der großen Koalition signalisieren Zustimmung zum Einsatz von Tornado-Flugzeugen über dem Süden Afghanistans. „Völlig unproblematisch“ findet das der CDU-Mann von Klaeden. „Nicht vom Mandat gedeckt“, kritisiert die Opposition

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die Nato hat Deutschland gebeten, mehrere Tornado-Flugzeuge der Bundeswehr zur Aufklärung des Luftraums in Afghanistan bereitzustellen – auch im heftig umkämpften Süden des Landes. Das Verteidigungsministerium wollte gestern noch keine feste Zusage abgeben. Ein solcher Einsatz sei „denkbar“, sagte ein Sprecher, werde aber noch geprüft. Führende Politiker der großen Koalition signalisierten jedoch bereits Zustimmung. „Rechtlich halte ich das für völlig unproblematisch“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Eckart von Klaeden (CDU) der taz. „Ich sehe, was den Bundestag und das Mandat angeht, keine Schwierigkeiten.“

Aus der Sicht von Klaedens wären die Tornado-Flüge durch das Bundestagsmandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr abgedeckt. Darin sei eindeutig enthalten, dass die Streitkräfte der westlichen Alliierten gemeinsam ihre Fähigkeiten zur „Aufklärung und Überwachung“ bereitstellen könnten. Zu der Frage, ob die Aufklärung zur Vorbereitung von verstärkten Luftangriffen im Süden diene, wollte sich von Klaeden nicht äußern. Die operative Kriegsführung sei nicht Sache des Parlaments.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler (SPD) erklärte: „Ich glaube, dass es eine grundsätzliche Bereitschaft gibt, eine solche Aufklärungsfunktion auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen.“ Damit machte er als erster Regierungspolitiker deutlich, dass die Tornados wohl nach Afghanistan fliegen werden. Bei der Frage, ob die Regierung dafür die Zustimmung des Parlaments für notwendig erachtet, stiftete der SPD-Politiker allerdings Verwirrung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er zunächst: „Hier ist ein entsprechender Beschluss des Bundestages notwendig.“ Später korrigierte Erler diese Aussage: Ein neues Mandat sei nur notwendig, falls das alte nicht ausreiche. Und ob das alte ausreiche, müsse noch geprüft werden, sagte Erler. Die Zwischenprüfung der Regierung scheint freilich ergeben zu haben: Ein neuer Auftrag durch das Parlament ist aus ihrer Sicht überflüssig. Ebenso wie von Klaeden verwies Erler am Nachmittag auf das zuletzt im September vom Bundestag bestätigte Afghanistan-Mandat, in dem ausdrücklich auch Fähigkeiten zur „Aufklärung und Überwachung“ aufgeführt seien. Zudem räume das Mandat die Möglichkeit ein, dass die Bundeswehr zeitlich und im Umfang begrenzt auch außerhalb des deutschen Einsatzschwerpunktes im Norden Afghanistans tätig wird, so Erler.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte eine Verlegung von deutschen Truppen in den Süden Afghanistans abgelehnt, den Alliierten aber Hilfe angeboten, wenn diese erbeten werde und nötig sei. Laut Erler müsste ein solcher Einsatz im Süden für die Erfüllung des Gesamtauftrags der internationalen Schutztruppe Isaf „unabweisbar“ sein.

Doch da scheiden sich die Geister. Heftige Kritik kam von Linkspartei und Grünen, die den neuen Einsatz vom bisherigen Mandat nicht gedeckt sehen. „Eine Unterstützung der Art von Operationsführung, wie sie zur Zeit läuft im Süden, würde ich für falsch halten. Da würde ich nicht zustimmen“, kündigte der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei an. „Da geht es de facto um eine Militäroperation. Nicht um Stabilisierung, sondern um heiße Kampfeinsätze, also qualitativ erheblich etwas anderes“, sagte Nachtwei.

Auch die Linkspartei warnte, Deutschland werde immer mehr zur Krieg führenden Partei. Der Einsatz der Tornados wäre „definitiv nicht vom Mandat gedeckt“, sagte ihr Verteidigungsexperte Paul Schäfer, zumal das dazugehörige Personal von 250 Mann für Betrieb und Wartung der Flugzeuge die Obergrenze von 3.000 Soldaten sprengen würde.

Ihre Festlegung, keine Soldaten in den Süden zu schicken, versucht Merkel offenbar dadurch einzuhalten, dass die Flugzeuge auf einem US-Stützpunkt bei Kabul stationiert werden sollen. Nur fliegen sollen sie auch über den Süden.

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