portrait : Linke Hand für Wowereits Ambitionen
Als Gerhard Schröder der SPD-Linken vor etwas mehr als einem Jahr den politischen Verstand absprach, richtete sich das auch gegen Björn Böhning. An Schröders Agenda 2010 hatte der heute 28-Jährige nie ein gutes Haar gelassen. Nach seiner Wahl zum Juso-Chef vor zwei Jahren hatte Böhning die SPD als „organisatorisch, inhaltlich und politisch ausgezehrt“ bezeichnet.
In einem Zeitungsbeitrag schrieb er: „Der SPD fehlt es an einer modernen Kapitalismuskritik.“ Berlins Regierender Oberbürgermeister Klaus Wowereit (SPD) holt den Parteilinken jetzt als persönlichen Berater ins Rote Rathaus, wie ein Senatssprecher der taz bestätigte. Böhning, Typ Sportjackenträger, soll Chef für „Politische Grundsatz- und Planungsangelegenheiten“ in der Senatskanzlei werden. Einen solchen Posten hatte es vorher noch nicht gegeben. Was genau Böhning machen wird, war aus dem Roten Rathaus nicht zu erfahren. Nur so viel: Er befasse sich mit „Angelegenheiten, die über das politische Tagesgeschehen hinausgehen“. Böhning als Vordenker? Als Strippenzieher hinter den Kulissen? Böhning selbst ließ über die Jusos mitteilen, er wolle sich bis zum Jahresende nicht äußern.
Mit dem Juso-Chef als linker Hand könnte sich Wowereit stärker gegen die große Koalition profilieren. Böhning hat immer wieder gegen Schwarz-Rot gewettert. Als Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Sommer dieses Jahres die Deutschen aufforderte, für die Altersvorsorge auf den Urlaub zu verzichten, polterte Böhning zurück: Steinbrück solle selbst fünf Jahre nicht in Urlaub gehen. Die Gesundheitsreform findet Böhning unsozial. Und die rot-rote Regierung in Berlin bezeichnet er als Testfall für den Bundestag.
Wowereit untermauert mit Böhnings Berufung aber auch seine Ambitionen in der Bundespolitik. Vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September hatte er bereits verkündet, sich in Zukunft „bundespolitisch deutlicher artikulieren“ zu wollen. Mit Böhning, der auch Vorstandsmitglied der SPD ist, erhält Wowereit einen potenziellen Mitstreiter und PR-Arbeiter, sollte er sich 2009 ins Rennen um die Kanzlerkandidatur stürzen.
Im Roten Rathaus werden solche Spekulationen zurückgewiesen. Wowereit habe qua Amt schon einen großen Einfluss auf die Bundespolitik, sagte ein Senatssprecher der taz. Und diesen Einfluss werde er auch weiter nutzen.
Für Böhning bedeutet die Berufung zu Wowereits Berater mit Sicherheit einen Karrieresprung. Und zumindest eins hat er mit seinem früheren Gegner Gerhard Schröder gemeinsam: Auch dieser hatte einst als Juso-Chef angefangen. WOLF SCHMIDT