: Dringend einreisebedürftig
Seit fast drei Jahren wartet die Erika Wiechmann auf ein Visum für ihren nigerianischen Mann. Die Behörden weigern sich. Ändern sie ihre Haltung nicht, könnte dies den Ehemann sein Bein kosten
von Christian Jakob
Erika Wiechmann hat gelernt zu warten. Anfang 2004 heiratete die pensionierte Krankenschwester in Nigeria den damals 54-jährigen Schweißer Anthony Broadrick. Broadrick war zwei Jahre zuvor als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Die verwitwete Wiechmann hatte ihn zufällig in Bremen kennen gelernt. Schon bald beschlossen die beiden zu heiraten. Weil die für Broadrick zuständige Ausländerbehörde in Diepholz Broadrick jedoch kurz vor der geplanten Hochzeit abschob, reiste Wiechmann ihm nach und sie heirateten in Broadricks Heimat, der westnigerianischen Stadt Ojo.
Wegen eines formalen Fehlers bei der Hochzeit verweigert die deutsche Botschaft in Abuja ihrem Mann seitdem ein Einreisevisum. Eine Namensänderung Broadricks sei nicht korrekt im Melderegister eingetragen worden, monierte die Auslandsvertretung. Vor einem Jahr verklagte Wiechmann deshalb das Auswärtige Amt. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht bis heute nicht fest.
Ihrem Mann schickt sie jeden Monat etwas Geld. Einmal im Jahr besucht sie ihn in Nigeria. Sonst waren die beiden immer mit dem Auto im Land umher gereist. Doch während ihres letzten Besuchs im September war das nicht mehr möglich: Bei einem Unfall mit einem Mofa-Taxi hatte sich ihr Mann einen Bruch des Unterschenkelknochens zugezogen. Der Taxifahrer und der Unfallgegner blieben unverletzt. Die Bemühungen eines hinzugezogenen traditionellen nigerianischen Mediziners, die einzige Behandlung, die sich Broadrick bis dahin leisten konnte, waren ohne Erfolg geblieben. Broadrick kann sich seitdem nur noch mit Krücken und unter großen Schmerzen bewegen.
Wiechmann brachte ihren Mann zur Untersuchung in eine Privatklinik. Die Ärzte der „Oke-Ado General & Medical Services Ltd.“ in Ibadan röntgten die Unterschenkel ihres Mannes und empfahlen, das Bein umgehend operieren zu lassen. Eine Bremer Unfallchirurgin, der Wiechmann später die Röntgenbilder zeigte, bestätigte die Diagnose ihrer nigerianischen Kollegen: „Pseudoarthrose mit Sequestrierung in Folge nicht-konsolidierter Fraktur des Unterschenkelknochens.“ Die Verletzung sei „dringend operationsbedürftig“ vermerkte sie in ihrem Gutachten. „Die geschädigte Stelle muss großflächig entfernt und durch gesundes Gewebe aus dem Hüftknochen ersetzt werden“ sagt Wiechmann. „Sonst muss das Bein bald entfernt werden.“ Ein mit Wiechmann befreundeter Arzt schätzte die Kosten für den Eingriff in Deutschland auf rund 30.000 Euro.
In Nigeria kann die komplizierte Operation nur in wenigen Krankenhäusern durchgeführt werden. Die Universitätsklinik Ibadan bezifferte die Kosten auf 4.000 US-Dollar, knapp 3.000 Euro. Bezahlen kann Wiechmann auch das nicht. „Ich hatte etwas Geld gespart, um einen Deutschkurs und einen Taxi-Schein für Anthony bezahlen zu können.“ Dieses Geld ist jedoch mittlerweile verbraucht, Anwaltskosten und die Reisen nach Nigeria haben Wiechmann finanziell arg zugesetzt. „Ich habe jetzt gar nichts mehr,“ sagt sie. Wenn das Verwaltungsgericht Berlin Wiechmanns Klage stattgeben würde und ihr Mann die Einreiseerlaubnis erhielte, so sagt sie, sei er automatisch krankenversichert. Wiechmanns Hoffnung, aufgrund der drängenden gesundheitlichen Probleme ihres Mannes den Termin für die Gerichtsverhandlung vorziehen zu können, erfüllten sich nicht. „Der Anwalt hat keine Chance für eine Verfahrensbeschleunigung gesehen.“