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Archiv-Artikel

Kreuzberger NS-Opfer bekommen Gesicht

GESCHICHTE Vereinigung der NS-Verfolgten übergibt Informationen zu Opfertafel im Kreuzberger Rathaus

Die Holztafel hängt seit 1947 in der ersten Etage des Kreuzberger Rathauses in der Yorckstraße. Insgesamt 100 Namen von Kreuzberger NS-Opfern sind dort verzeichnet – kurz nach dem Krieg zusammengetragen vom Kreuzberger Ausschuss der Opfer des Faschismus. Doch wer waren diese Menschen, woher kamen sie? Die Berliner Vereinigung der Verfolgten – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat recherchiert und übergibt heute um 17 Uhr im Kreuzberger Rathaus ihre Infomaterialien.

Drei der 100 Opfer sind die Brüder Bernhard, Günther und Horst Lewin. Sie wurden in den 20er Jahren in der Kreuzberger Mariannenstraße 23 geboren. Den Nazis galten sie als Juden, doch die Mutter hatte sie bei den Behörden nicht gemeldet, sodass sie sich verbergen konnten. Doch alle drei wurden gefasst und ermordet.

Der Kern des Informationspools, den die VVN-BdA erstellt hat, besteht in einen Touchscreenmonitor, auf dem die Namen der NS-Opfer aufgeführt sind. Beim Berühren des Bildschirms können ihre Biografien, die KZs und Gefängnisse, in die sie verschleppt wurden, aber auch Zitate aus Berichten ihrer Angehörigen abgerufen werden. Der Vereinsvorsitzende Hans Coppi betont gegenüber der taz: „Es ist uns mit dem Forschungsprojekt auch darum gegangen, den Personen, die heute weitgehend unbekannt sind, ein Gesicht zu geben.“ Gleichzeitig seien damit auch wichtige neue Fakten über Widerstand und Verfolgung unter der NS-Herrschaft in Kreuzberg ermittelt worden.

So haben sich zwei Drittel der aufgeführten Personen in der Weimarer Republik in den Parteien der ArbeiterInnenbewegung, den Gewerkschaften und den proletarischen Sportbünden engagiert. Über ein Drittel der aufgeführten Personen sind Juden. In einem Fall stellte sich durch die Forschungsarbeit heraus, dass eine auf der Tafel aufgeführte Person den NS-Terror überlebt hat. Doch Coppi betont auch, dass die Tafel nur einen Bruchteil der Kreuzberger NS-Opfer aufführt. MitarbeiterInnen des Kreuzberg Museums sprechen von 1.500 bis 1.800 KreuzbergerInnen, die dem Terror zum Opfer fielen. Weitere Forschungen wären also notwendig, um weitere NS-Opfer dem Vergessen zu entreißen. PETER NOWAK