: Vision drei: Ein Stabilitätspakt fürs Klima
So wie die EU einst Regeln für den Euro schuf, will Angela Merkel jetzt welche zum Schutz der Umwelt
Heute scheint Angela in bester Form zu sein. Ist sie etwa mit dem richtigen Fuß aufgestanden? Alle Blicke auf sich ziehend, erobert sie mit einem neuen Projekt sofort den Saal. Denn die Kanzlerin schlägt einen Klimastabilitätspakt für die EU vor. Angela Merkel: „Wenn wir unseren Verpflichtungen nachkommen wollen, die Treibhausgasemissionen drastisch zu senken, brauchen wir einen neuen Klimapakt. Es steht unserer Glaubwürdigkeit und unserem Ehrgeiz als Europäer gut an, uns nicht nur nach dem Kyoto-Protokoll zu richten, sondern mehr noch zu zeigen, dass wir als Kontinent in Sachen Klimaschutz viel weiter gehen müssen.“
In einem historischen Moment, so die Kanzlerin weiter, seien die Europäer genötigt gewesen, ihr Haushaltsdefizit einzuschränken. Dafür mussten sie einen relativ strikten Stabilitätspakt einführen, der für Mitgliedstaaten, die sich nicht daran hielten, Sanktionen vorsah. „Heute drängt sich uns der fortschreitende Klimawandel als neue Herausforderung auf. Deshalb lädt die Ratspräsidentschaft die Mitgliedstaaten dazu ein, das Modell der gemeinschaftlichen Regulierung für den Haushalt nun auf das Klima anzuwenden. Da wir es uns nicht länger erlauben können, das Ausmaß der Konsequenzen, die mit dem Klimawandel verbunden sind, zu ignorieren, müssen die Energie- und die Verkehrspolitik Teil unserer Prioritäten werden: ein neuer Pakt unter der Schirmherrschaft der EU-Kommission, die seine Einhaltung überwacht.“ Wir schreiben den 17. Januar 2007. Merkel spricht zu den Europaabgeordneten, die im Plenarsaal zusammengekommen sind. Offensichtlich hat sie entschieden, einen Markstein in der europäischen Geschichte zu setzen.
Sie fährt fort: „Unsere Präsidentschaft fällt zusammen mit dem Ende der Diskriminierungen gegenüber dem Norden Zyperns. Die Türkei hat ihren Platz in der EU. Aber genauso wenig wie die durch den Nationalismus aufgestachelte Regierung im Süden der Insel hat die Türkei das Recht, einen Teil der Zyprioten als Geisel zu nehmen.“
Dann kommt der Verfassungsvertrag an die Reihe. Eine unerhörte Chance für Europa sei der Vertrag, sagt sie. Und unter diesem Motto plädiert sie für eine effektive Wiederbelebung des Verfassungsprozesses. Ein neuer Konvent mit einem klaren und beschränkten Mandat soll einen Text vorlegen, der ausgeht vom ersten und zweiten Teil des Vertrages und dabei auch jene Artikel mit einschließt, die einen politischen Fortschritt bedeuten und die Idee des sozialen Europas stärken. Dieser fundamentale Text – am selben Tag in allen Mitgliedstaaten zur Abstimmung gestellt – wird zum Rückgrat der EU, wenn diese ihn mit einer „doppelten Mehrheit“ – die der Staaten und die der Bevölkerung – bestätigen. Die Staaten, die den Text nicht ratifizieren, müssen sich entscheiden, ob sie in der EU bleiben oder sie verlassen. Und die kühn gewordene Kanzlerin vollendet ihre Rede mit einem Datum: 2009. Zum ersten Mal würde der Kommissionspräsident dann durch allgemeine und direkte Wahlen bestimmt werden. DANIEL COHN-BENDIT