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Archiv-Artikel

Vision eins: Wirtschaftlicher Niedergang durch Überregulierung

Die Europäer meinen immer noch, dass sie die Globalisierung durch mehr Gesetze in den Griff bekommen. Daher werden viele der EU den Rücken kehren

Bei den Recherchen für diesen Artikel war die Homepage der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) extrem hilfreich. Dank ihr konnte ich vom heimischen Schreibtisch im britischen Lincoln aus umfangreiche und detaillierte Daten über die ökonomische Lage von Staaten in der ganzen Welt abrufen. Auf dem Weg zum Flughafen schickte ich diese dann vom Auto aus per E-Mail in mein Büro in Brüssel. Dann, im Flugzeug, begann ich, auf meinem Taschencomputer diesen Artikel zu schreiben. Mit anderen Worten: Ich reiste gleichzeitig durch die physische Welt und durch die virtuelle des Internets.

Was ich herausgefunden habe? Die 15 alten EU-Staaten haben weniger Spitzenpatente als Japan oder die USA. Und es ist doppelt so schwierig, sich in Europa selbstständig zu machen, als dort. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die EU-Kommission schätzt, dass der EU-Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt in den nächsten 40 Jahren um ein Drittel fallen wird. Dennoch hat die Kommission auf eine Anfrage, die ich diesen Monate an sie richtete, festgestellt, dass die Lissabon-Strategie weiterhin gültig ist. Danach soll die EU sich bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt entwickeln. Dabei ist klar, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden – und so zu tun, als sei das nicht so, löst das Problem nicht. Unglücklicherweise versuchen einige in der EU genau das.

Was folgt aus der Tatsache, dass es so kompliziert ist, in Europa ein Unternehmen zu gründen? Ganz einfach: Die Menschen werden eben keine Firmen gründen. Oder noch schlimmer: Sie werden die EU verlassen und sich irgendwo anders selbstständig machen.

Europa kann die Globalisierung nicht verdrängen. Deshalb muss es sie annehmen. Das erfordert Marktliberalisierung, niedrigere Steuern, bessere Regulierung – was oft weniger Regulierung bedeutet. Vorherrschende Meinung aber ist, dass das europäische Sozialmodell dem Angriff der Globalisierung widerstehen kann. Und zwar durch mehr Gesetze. Und indem man jedem erzählt, dass Europa es schon schaffen wird. Warum ist in der EU Platz für all diejenigen, die die Wirtschaft gern regulieren – und keiner für Unternehmensgründer? Ein Grund ist der Trend der Mitgliedstaaten, ihre eigenen strengen Gesetze auf EU-Ebene zu übertragen. Deutschland etwa hat sehr strenge Regeln für Product-Placement in Fernsehserien. Und diese Regeln haben deutsche Abgeordnete des Europaparlaments nun auch in einem neuen EU-weiten Gesetz durchgeboxt – obwohl viele Fernsehsender der Meinung sind, dass dadurch Wettbewerbsnachteile gegenüber den USA entstehen. Ebenso haben griechische Abgeordnete gegen ein Gesetz zur Zollliberalisierung gestimmt, weil das den monopolistischen griechischen Markt geöffnet hätte. Warnende Zeichen dieser Art gibt es in Europa mehr als genug. Die Daten zeigen einen ökonomischen Niedergang durch Überregulierung, zu hohe Steuern und die Weigerung, sich an die globalisierte Welt anzupassen. Ich habe wenig Hoffnung, dass sich dies jetzt oder in naher Zukuft ändern könnte.

CHRIS HEATON-HARRIS