Reiche zur Kasse

DGB und ver.di kritisieren „lasche“ Finanzämter und fordern Vermögenssteuer. Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer wehrt sich gegen den Vorwurf, der Senat fördere Steuerhinterziehung

von Gernot Knödler

Das konnte Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer nicht auf seinesgleichen sitzen lassen – nicht umsonst heißt die traditionelle Jahresschluss-Veranstaltung seiner Kammer, bei der er am Freitag sprach, „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“. „Unglaublich“, so Dreyer, sei der Vorwurf von ver.di-Chef Wolfgang Rose, reiche Hamburger würden im großen Stil Steuern hinterziehen – in Hamburg werde Steuerbetrug zum Standortfaktor.

Dabei hatte der Gewerkschafter Rose bloß seine Thesen zur Senatsbilanz 2006 ordentlich zugespitzt und sich dabei auf den Bundesrechnungshof berufen. Der hatte in seinem Jahresbericht darauf aufmerksam gemacht, dass die Finanzämter viel mehr Geld einnehmen könnten, wenn sie mehr Einkommensmillionäre prüfen würden. Sonderprüfungen bei diesen Leuten mit mehr als 500.000 Euro Jahreseinkommen hätten im Durchschnitt Steuermehreinnahmen von 135.000 Euro erbracht.

Nach der Rüge von Präses Dreyer legte Rose nochmal nach und verwies auf eine Studie im Auftrage des Unternehmermagazins Impulse, die Hamburg auf der Liste der Länder mit den schärfsten Finanzämtern ganz unten sieht. Für die Studie hatte die Mainzer Marktforschungsgesellschaft Forum Steuerberater aller 575 Finanzämter interviewt. Die Befragten sollten Aussagen wie „Mein Finanzamt setzt rigoros Säumnis- oder Verspätungszuschläge fest“ und „Die Betriebsprüfer des Finanzamts sind besonders unnachgiebig und kompromisslos“ bewerten.

Während Mecklenburg-Vorpommern als schärfstes Land gut 5.800 Punkte kriegte, landete Hamburg mit knapp 4.300 Punkten auf dem letzten Platz. Innerhalb Hamburgs ermittelten die Forscher das Finanzamt Nord mit gut 7.000 Punkten als schärfstes, das Finanzamt für Großunternehmen mit knapp 2.700 Punkten als großzügigstes.

Ex-Finanzsenator Peiner habe „Kuschelecken für Millionäre“ hinterlassen, während das Entgelt für einen Obdachlosenschlafplatz um zwölf Prozent gestiegen sei und die Sozialhilfe eingefroren wurde, schimpfte Rose. Alte, Schwache, Niedriglöhner und Arbeitslose überlasse der Senat dem brutalen Markt.

Präses Dreyer interpretierte die Umfrage anders: Hamburgs Finanzämter seien „die pragmatischsten der Republik“. Ihre Betriebsprüfer gehörten aber zu den strengsten. Rose konterte, die Betriebsprüfung sei bereits in die Bewertung der Ämter eingeflossen.

Angesichts der hohen Vermögensunterschiede gerade in Hamburg verlangte Rose, der Reichtum müsse umverteilt werden: „Würden Millionäre und Betreibe korrekt überprüft und die Superreichen mit einer einprozentigen Vermögenssteuer zur Kasse gebeten, wären pro Jahr eine Milliarde Euro mehr in der Gemeinschaftskasse.“

DGB-Chef Erhard Pumm stieß ins gleiche Horn: „Die öffentlichen Kassen geben immer weniger her für öffentliche Infrastruktur, Bildung und Forschung“, stellte er fest. Deshalb müssten auch diejenigen, die gut verdienen, ihren Teil zum Gemeinwohl beitragen.

36 der 300 reichsten Deutschen leben in Hamburg. Sie verfügen über ein Vermögen von 43,2 Milliarden Euro. Dass viele von ihnen „großzügige Spender, Stifter und Mäzene“ seien, ändert aus Roses Sicht nichts. „Mäzenatentum ersetzt keine Steuergerechtigkeit“, findet er. Ein Prozent Vermögenssteuer würde pro Jahr 430 Millionen Euro aus den Portemonnaies der 36 Hamburger in die Stadtkasse schwemmen.