: Der Mann des krassen Selbstlobs
KORRUPTION Brasiliens Fußballboss José Maria Marin lässt alle Kritik an sich und seinem Verband abperlen
AUS RIO DE JANEIRO JOHANNES KOPP
Früher hätte sich José Maria Marin solch spitze Bemerkungen und Fragen gewiss nicht gefallen lassen müssen. Damals, zu Zeiten der Militärdiktatur, als er noch Gouverneur von São Paulo war. Aber die Zeiten sind nicht mehr so – ganz im Unterschied zum brasilianischen Fußballverband CBF, dem der 82-jährige Marin mittlerweile vorsteht. Inzwischen werden die Korruptionsskandale, die im CBF offenkundig der Traditionspflege unterliegen, jedoch von einheimischen Journalisten genauer hinterfragt – auch bei dieser Weltmeisterschaft.
Schallendes Gelächter habe er geerntet, so ein Reporter, als er seinen brasilianischen Freunden erzählt habe, dass er zu einer Veranstaltung gehe, bei welcher Marin über das Vermächtnis der Fifa informieren werde, die Verteilung von WM-Geldern also, die dem brasilianischen Fußball zugutekommen sollen. Die Selbstbedienungsmentalität des Verbandes habe zu der so erheiterten Reaktion geführt, erklärt er.
Marin bemüht sich tapfer um eine beherrschte Antwort: „Wenn Sie uns einen konkreten Vorfall von Korruption nennen können, informieren Sie uns. Wir werden versuchen, es aufzuklären.“ Nun ist schon einiges aufgeklärt worden in der Vergangenheit – wenn auch nicht mithilfe des CBF. Gerichtsfest dokumentiert ist beispielsweise, dass Ricardo Teixeira, der Vorgänger von Marin, zusammen mit seinem Schwiegervater und Ex-Fifa-Chef João Havelange knapp 18 Millionen Euro Bestechungsgelder über die von der Fifa auserwählten Vermarktungsagentur ISL und Scheinfirmen einstrich. Weil Teixeira in seinem Land außerdem auch wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung etliche Prozesse drohen, ist er nach Miami geflüchtet.
Aber dazu befragt, will Jose Maria Marin nichts sagen: „Ich habe in meinem Leben nie Urteile über andere gefällt. Das werde ich auch jetzt nicht machen“, sagt der Exgouverneur. In Sachen Fußball sei Teixeira aber ein „Winner“, betont er. Große Erfolge habe die Seleção unter seiner Regentschaft gefeiert.
Das also ist offenbar das, was aus Sicht von Marin, der Teixeira jahrelang als Vizepräsident loyal zur Seite stand, allein zählt. Wer so treue Vasallen hat, der hat vermutlich seine Hände immer noch im Spiel. Teixeira, der die WM nach Brasilien holte, wird wohl kaum einen Strich unter seine Vergangenheit gezogen haben. Das ist keine allzu steile These, schließlich sitzt ja mit Joana Havelange noch die Tochter von Teixeira im WM-Organisationskomitee.
Marin aber, der in der Blüte des besten Fifa-Funktionärsalters steht, will jetzt nicht zurückblicken. Der 82-Jährige spricht lieber über die Zukunft. Nach Fifa-Angaben wird der CBF letztlich nach der WM gut 73 Millionen Euro vom Weltverband erhalten, um den Fußball in Brasilien zu fördern. Das Geld, so Marin, soll in die Infrastruktur gesteckt werden und Standorte bevorzugen, die von der WM nicht profitiert haben. In Belem etwa, im Norden des Landes, sollen noch während des Turniers zwei Fußballplätze eingeweiht werden. Und den Frauenfußball und die medizinische Versorgung in seinem Einflussbereich wolle man auch verbessern.
Warum beginne der CBF, der ja ein sehr wohlhabender Verband sei, erst jetzt mit Fifa-Subventionen damit, den Fußball im Land zu fördern, wird gefragt. Und weshalb habe man jüngst erst für viel Geld ein repräsentatives Verbandsgebäude bauen lassen, statt den Frauenfußball zu fördern?
Marin entgegnet, der Verband eines fünfmaligen Weltmeisters bräuchte eine entsprechende Unterkunft und gute Arbeitsbedingungen für seine Mitarbeiter. Dazu muss man wissen, dass dem CBF-Präsidenten vorgeworfen wird, die neue Zentrale seines Fußballs in Rio mit umgerechnet 33 Millionen Euro weit über Marktwert erstanden zu haben. Ansonsten war Marin bislang eher ein Schattenmann im Reich der Korruption.
Anschauliche Zeugnisse seiner Selbstbedienungsmentalität gibt es allerdings auch. Auf dem Youtube ist ein Clip zu sehen, wie Marin sich bei der Siegerehrung eines Jugendturniers mal schnell einer der schönen goldenen Medaillen in die eigene Tasche steckt. Seiner Karriere hat dies nicht geschadet. Ein Umstand, der viel erzählt über die Verfasstheit des CBF.
Da der Erfolg der Seleção in Brasilien weiterhin über allem steht, dürfte den Spitzenfunktionären weiterhin Narrenfreiheit garantiert sein, sollte tatsächlich die „Mission Hexa“, der WM-Titelgewinn, gelingen.