Müllabfuhr soll wieder in Bürgerhand

REKOMMUNALISIERUNG Die Gewerkschaft Ver.di startet ihr Bürgerbegehren: Privatisierung der Müllabfuhr soll nach 20 Jahren rückgängig gemacht werden. Grüne und SPD sind unentschieden, wofür sie stimmen

Das Zeitlimit ist entscheidend, weil es den Senat unter Handlungsdruck setzen würde

Die Gewerkschaft Ver.di macht ernst – sie sammelt ab sofort Unterschriften für einen Bürgerantrag, der den Senat verpflichten soll, innerhalb von sechs Monaten ein Konzept für die Rekommunalisierung der 1998 privatisierten Müllabfuhr zu erarbeiten, und zwar laut Ver.di „auf der Grundlage der Organisationsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts“. Diese Rechtsform hat zum Beispiel die Müllabfuhr in Hamburg. Zu den Erstunterzeichnern gehört der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, auch die Ver.di-Zentrale in Berlin unterstützt das Bremer Projekt.

Das Zeitlimit ist entscheidend, weil es den Senat unter Handlungsdruck setzen würde. Schon im Jahre 2011 hatte die SPD das Thema Rekommunalisierung der Müllabfuhr als „Prüfauftrag“ in die Koalitionsvereinbarung geschrieben. Geprüft wurde aber nichts. Im Juni 2013 erinnerte die Bürgerschaft per Beschluss – aber ohne Zeitlimit – an diesen Auftrag, im August mahnte der SPD-Landesvorstand dann an, dass die Fachleute in der senatorischen Verwaltung die Rekommunalisierung „ernsthaft prüfen“ sollten. Wieder passierte nichts. Daraufhin beschloss der SPD-Landesvorstand am 25. April 2014: „Weitere Verzögerungen der Entscheidungsbearbeitung sind nicht akzeptabel.“ Und vier Wochen später hat der Senat nun beschlossen, eine „Staatsräte-Lenkungsgruppe“ einzurichten. Die trat schließlich in dieser Woche, einen Tag vor dem angekündigten Beginn des Bürgerbegehrens, erstmals zusammen – und beschloss, bis Ende Juli einen Zeitplan zu erarbeiten.

In der bisherigen Diskussion war immer wieder beklagt worden, es fehlten die erforderlichen juristischen und wirtschaftlichen Detail-Informationen, um darüber nachdenken zu können, ob eine vollständige oder eine „halbe“ Rekommunalisierung sinnvoller sei. Die Abwägung ist insbesondere schwierig, weil die Firma Nehlsen, die die Müllabfuhr seit 1998 betreibt, ihre Kalkulationen nicht offenlegt. Nicht einmal die Frage, wie viel Gewinn sie aus den Gebühren zieht, lässt sich beantworten.

Auch ohne detaillierte Datengrundlage hat die zuständige Staatsrätin Gabriele Fridrich (Grüne) für den Senat nun ihre Position formuliert. Um das wirtschaftliche Risiko zu begrenzen und gleichzeitig wieder kommunalen Einfluss zu garantieren, plädiert sie intern für eine gemeinsame Firma mit einem privaten Betreiber, also ein „PPP“-Modell.

Eine derartige „halbe“ Rekommunalisierung lehnt Ver.di ab. In den Städten, in denen solche gemeinsamen Firmen betrieben würden, so erklärte Ellen Naumann, Ver.di-Bundesfachgruppenleiterin Abfallwirtschaft, hätten de facto die Privaten das Sagen. In den Berechnungen des Gutachtens, das eine Gruppe um den Bremer Hochschullehrer Ernst Mönnich erarbeitet hat, bilden zudem die rund fünf Millionen Euro Mehrwertsteuer und etwa so viel an Gewinnausschüttung das finanzielle Polster, aus dem eine Aufstockung der Billig-Löhne sowie ökologische Investitionen finanziert werden könnten.  KLAUS WOLSCHNER