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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Malerei als Welt-Macher ist eines des besten Mittel, um unvorstellbare Szenarien, Wesen und Figuren unmittelbar vorstellbar oder „sehbar“ zu machen. Sie wirken dann real, es gibt sie, auch wenn es sie nicht gibt, und Möglichkeit wird zumindest visuell zur Wirklichkeit. Die Ausstellung Halluzinierte Welt im Haus am Lützowplatz ist darum auch weniger eine Anspielung auf die illusionistischen Qualitäten der Malerei, sondern fokussiert die Darstellung verschiedener Fantasieszenarien und Kreaturen. GLBrierley hat mit „Manturna“ einen Organismus geschaffen, dessen schuppenhafte Struktur aus dem Bild zu treten scheint und aussieht, als würde er auch in getrockneter Form ständig weiterwachsen. Die 18+ Grusel-Kammer ist mit Gruppensex und aufgeschnittenen Körpern im realistischen Stil bei Weitem nicht so verstörend wie zum Beispiel „der Hund“ von Emmanuel Bornstein, eine wild mit dem Pinsel auf die Leinwand geschmierte Kreatur, die an Astrid Lindgrens Wilddruden erinnert und mit unheimlich gelben Augen über vor ihr fliehende, winzige Menschen hinwegspäht. Halluzination ist hier mal organisch-abstrakte Wesenhaftigkeit und vielfach Albtraum. (bis 29. 6, tgl. 11–18 Uhr, Lützowplatz 9) Andrej Dúbravský hat in Do you want to live like me in der Galerie Dittrich und Schlechtriem eine ähnlich düstere, aber sehr viel virtuosere Natur-Fantasy-Welt geschaffen. Junge Männer mit Hörnern schleichen sich hier durch Moorlandschaften, tun das, was Marilyn Manson nachgesagt wird, geben sich selber Blowjobs und sind auch sonst eher mit sich selbst beschäftigt, als dem Betrachter als Masturbationsvorlage zu dienen. Die schwule Verherrlichung des jungen Körpers kommt hier zwar zum Vorschein, wird aber immer wieder auf sich zurückgeworfen. Begehren ist vor allem Selbst-Begehren bei Dúbravskýs Figuren. Das Faszinierende an den Arbeiten ist seine Maltechnik, die oft nur knappe Striche benötigt, Leerstellen lässt und sich doch zu vollständigen Körpern zusammensetzt. Dann wieder räumliche Tiefe in verworrenen Landschaften, scheinbar wilde Striche und Schichten, deren Bewegungen selbst von einem erotischen Akt des Malens zu sprechen scheinen. Unschuldig ist das alles nicht, genauso wenig wie die sonst so niedlichen Armor-Putten oder die scheinbar entsexualisierten David-Statuen der Renaissance, sollte man nach Traditionen nackter Männlichkeit in der Kunst suchen. Die vorgegaukelte Neutralität dieser ikonischen Nacktheit wird bei Dúbravský mit schroffen Farbverläufen und wässrigen Spuren, also durch das Material selbst, gesprengt (bis 28. 6, Di–Sa, 11–18 Uhr, Tucholskystr. 38)