: „Pluralität wieder präsent“
VORTRAG Alina Treiger, Rabbinerin für Delmenhorst und Oldenburg, referiert in der „Strandlust“
■ 72, ist Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg und Mitglied des Direktoriums des Zentralrates der Juden in Deutschland.
taz: Welche Bedeutung hat es, dass Alina Treiger an einem 27. Januar über verschiedene Strömungen innerhalb des jüdischen Glaubens referiert, Frau Schumann?
Sara-Ruth Schumann: Ich glaube, dieses Datum ist fast ein Zufall.
Die letzte vor Frau Treiger in Deutschland geweihte Rabbinerin, Regina Jonas, wurde in Auschwitz ermordet.
Ja, insofern passt der Tag der Auschwitz-Befreiung durchaus als Vortragstermin.
Frau Treiger sagt, sie wolle ein „modernes, frisches Bild vom Judentum“ vermitteln. Wie schätzen Sie das aktuelle Image der Jüdischen Gemeinden ein, Frau Schumann?
Das kommt ganz auf die jeweilige Gemeinde an. In Oldenburg sind wir seit unserer Gründung 1992 nicht orthodox. Neben Frau Treiger gibt es in Deutschland noch drei oder vier weitere Rabbinerinnen.
Was immerhin rund zehn Prozent aller in Deutschland tätigen jüdischen Geistlichen entspricht. Gab es trotzdem Kritik, als Sie kürzlich Frau Treiger berufen haben?
Überhaupt nicht. Als wir 1992 mit Bea Wyler die allererste seit der Shoah in Deutschland arbeitende Rabbinerin hatten, war das allerdings noch ganz anders. Es dauerte damals ziemlich lange, bis sich alle wieder beruhigt hatten. Verstärkt der Zuzug von Gemeindemitgliedern aus den GUS-Nachfolgestaaten die Orthodoxie?
Nein. Durch das Religionsverbot in der Sowjetunion hatte die dortige jüdische Bevölkerung ihre ursprüngliche orthodoxe Prägung ohnehin weitestgehend verloren.
Dann könnte man sogar sagen, dass das damalige Religionsverbot den heutigen liberalen Gemeinden in Deutschland zu Gute kommt?
Wenn, dann könnte man das ebenso für die Christen in der Sowjetunion formulieren, die ja ebenfalls stark orthodox geprägt sind. Aber für uns heute ist das Wichtigste, dass die Pluralität des deutschen Judentums wieder präsent ist.
Interview: HENNING BLEYL
Die Veranstaltung mit Alina Treiger beginnt heute um 19.30 Uhr in der Vegesacker Strandlust