: „Wir werden 190.000 Jobs verlieren“
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer bremst den Aufschwung, sagt die Arbeitsmarktexpertin Sabine Klinger
taz: Frau Klinger, die Zahl der Erwerbstätigen ist gestiegen. Wird es nächstes Jahr noch mehr Jobs geben?
Sabine Klinger: Einen weiteren kräftigen Anstieg halte ich für wenig wahrscheinlich. Die wirtschaftliche Entwicklung wird 2007 schwächer, und dies bremst auch den Beschäftigungsaufschwung am Arbeitsmarkt. Daher wäre es schon positiv, wenn keine Jobs verloren gingen.
Viele Wirtschaftsforscher sind aber optimistischer.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent dämpft die Beschäftigungsentwicklung. Wir haben anhand einer Modellrechnung herausgefunden, dass dies in den nächsten drei Jahren 190.000 Jobs kostet.
Werden sie vernichtet oder entstehen sie gar nicht?
Das lässt sich anhand der Modellrechnungen nicht genau trennen. Aber es sind wohl meistens Jobs, die gar nicht erst entstehen.
Und wo genau liegt das Problem?
Nun, wir arbeiten mit einem Modell, das aus 450 miteinander verknüpften Gleichungen besteht …
… die wir hier nicht alle aufzählen wollen …
Genau. Aber kurz zusammengefasst besagen unsere Ergebnisse, dass durch die höheren Preise die Unternehmen weniger für Maschinen und andere Investitionsgüter ausgeben. Gleichzeitig kaufen die privaten Haushalte weniger Konsumgüter wie beispielsweise Autos.
Geiz wird also wieder geil?
Dies ist keine Frage des Geizes, sondern der Kaufkraft. Sinkt die Nachfrage, werden die Unternehmen weniger produzieren, als sie eigentlich könnten. Sie werden also wahrscheinlich weniger Leute einstellen oder sogar Beschäftigte entlassen.
Sind Experten-Warnungen vor einem Fachkräftemangel also nur Panikmache?
Noch gibt es genug Fachkräfte, aber ein gewisser Mangel macht sich bereits bemerkbar: In einigen Berufsfeldern dauert es immer länger, bis Unternehmen freie Stellen besetzen können.
Tatsächlich – aber Journalisten gehören wahrscheinlich nicht dazu, oder?
Die offiziellen Ergebnisse kommen erst noch. Aber so viel ist schon deutlich: Sie hätten als Diplom-Ingenieur oder IT-Spezialist jetzt die größten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ