BARBARA BOLLWAHN LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Amerikaner sind anspruchsvoll
Noch ein Buch zum Mauerfall? Wenn es so sachlich und uneitel geschrieben ist wie das von Walter Momper, 1989 SPD-Bürgermeister Westberlins, lässt sich die Frage guten Gewissens bejahen. Der Titel des Buchs ist ein Satz, den er in der Nacht des Mauerfalls vom Balkon des Schöneberger Rathauses gerufen hat: „Berlin, nun freue Dich!“ (Das Neue Berlin, 2014). Momper, damals ein halbes Jahr im Amt, hatte kaum Zeit, sich zu freuen. „Er war Mittler und Ansprechpartner für die westlichen Schutzmächte und die Sowjets, die Bundesregierung und Regierung der DDR, die Oppositionellen und die Reformer innerhalb der SED.“ So beschreibt es Willy Brandt, Bürgermeister Westberlins, als die Mauer errichtet wurde.
In 52 knappen Kapiteln erzählt Momper von historischen Begegnungen und von Fehleinschätzungen, sowohl im Osten als auch im Westen. So hat Erich Honecker die von Momper angesprochenen Versorgungslücken in der DDR mit den Einkäufen von US-Soldaten in Westberlin erklärt. „Amerikaner sind anspruchsvoll. Im Centrum-Warenhaus ist alles zu haben.“ Besonders hart geht Momper mit den westlichen Bundesländern ins Gericht, die Angst um ihre Pfründen hatten, und mit Helmut Kohl. „Vom ersten Augenblick an ging es um Selbstdarstellung und darum, sich patriotisch in Szene zu setzen. Man wollte den Zipfel vom Mantel der Geschichte erwischen.“ Harsch fällt auch sein Urteil zum Tag der Einheit aus: „Wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier eher um eine Siegesfeier nach erfolgreicher Eroberung als um eine Veranstaltung zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten gehen sollte.“
Das Fazit, das Momper 25 Jahre nach dem Fall der Mauer zieht, fällt ebenfalls nüchtern aus: „Ich denke, dass Ossis und Wessis noch immer zu wenig voneinander wissen … Das Leben dort war nicht nur, wie uns vermittelt wird, schwarz und weiß, es lebten dort nicht nur Böse und Gute. Erst sehr langsam, zu langsam, … wächst eine differenziertere Sicht.“
■ Die Autorin ist Schriftstellerin und schreibt für die taz