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Archiv-Artikel

„Jetzt herrscht das Chaos“

Karen von Holleben, Ausbilderin von Tiertransportfahrern, ist der Ansicht, dass die neue EU-Verordnung einige Verbesserungen bringt. Bisher hapere es jedoch an der Umsetzung

taz: Frau von Holleben, bringt die neue EU-Verordnung für Tiertransporte entscheidende Verbesserungen?

Karen von Holleben: Für viele Länder bringt sie tatsächlich Verbesserungen. Natürlich hätte man mehr machen können, aber Fortschritte sind durchaus erkennbar. So werden künftig nicht nur Fahrer, sondern auch Organisatoren eines Transports zur Verantwortung gezogen, und Fahrzeuge für lange Transporte müssen zugelassen werden.

War die Qualität der Tiertransporte in den europäischen Ländern bisher stark unterschiedlich?

Ja. Bezogen auf die Sachkunde der Transporteure gab es zum Beispiel in vielen Ländern kaum Vorschriften und keine Prüfungen für Fahrer. Hier war Deutschland weiter. Künftig werden Sachkundelehrgänge und Prüfungen europaweit gefordert.

EU-Kommissar Kyprianou hat mit Inkrafttreten der Verordnung angekündigt, dass er weitere Vorschläge zur Transportdauer und Ladedichte machen will.

Es gibt weiteren Verbesserungsbedarf. Zum Beispiel konnte man sich in Sachen Ladedichte bei den Schweinen nicht einigen. Da stehen nur grobe Empfehlungen drin, man soll auf die „bewährte Praxis“ oder auf die alte Verordnung zurückgreifen. Auch bei den Temperaturgrenzwerten gibt es noch Regulierungsbedarf.

Wie sieht es mit der Umsetzung der Verordnung in Deutschland aus?

Das ist der eigentliche Schwachpunkt. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir unglaublich geschlampt. Bundesregierung und Bundesländer haben zu wenig vorbereitet. Bis auf den Bußgeldkatalog, dessen Inkrafttreten aber noch fraglich ist, wurde kaum etwas getan. Die Verordnung lässt den Ländern ja Spielräume. Da müssen sich alle Beteiligten zusammensetzen und das ausloten und umsetzen. Jetzt herrscht das Chaos. Zum Beispiel bei den Transportfahrzeugen. Da werden Tränkesysteme zugelassen, die völlig ungeeignet sind, weil das nicht anständig vorbereitet ist. Die Amtstierärzte stehen im Regen und sind überfordert.

Künftig sollen alle Tiertransporte per Satellit zu orten sein. Erleichtert das die Kontrolle?

Die Idee ist gut. Leider gibt es bis jetzt zu wenig konkrete Vorgaben. Was will man per Satellit kontrollieren? Jedes Zu- und Aufklappen der Ladefläche? Jeden Stopp? Soll auch die Temperaturerfassung mit dem System gekoppelt werden? Hier sind viele Fragen offen. Daher ist es illusorisch, dass alle Neufahrzeuge schon ab 2007 entsprechend ausgerüstet sind.

Man kann per Satellit aber die Ruhezeiten kontrollieren.

Sicher. Aber erst wenn das System technisch und administrativ umgesetzt ist. Die nicht besonders bewährten Ruhezeiten sind gleich geblieben. Mit dem Unterschied, dass die Uhr künftig schon beim Beladen des ersten Tieres läuft.

Schlagstock, Fußtritte und andere Rüpeleien sind jetzt verboten. Ist das durchsetzbar bis zum letzten Bauernhof in Hinterholzhausen?

Die Regelungen für den Umgang mit Tieren sind strenger, und das Strafmaß wird verschärft. Jetzt kommt es darauf an, ein Umdenken in Gang zu setzen, etwa bei der Ausbildung der Landwirte. Natürlich ist es schwierig, überall zu kontrollieren.

Die Qualifikation der Fahrer ist ein anderer zentraler Punkt. Was lernen die bei Ihnen in der Ausbildung?

Sie lernen, wie man mit Tieren umgeht. Wie man Tierverhalten beurteilt. Wie man erkennt, ob ein Tier transportunfähig ist. Welchen Einfluss die Ladedichte hat und wie die rechtlichen Bestimmungen sind. Oder wie man die Tiere unterwegs versorgt.

Sie haben bei Ihren Studien Tiere verkabelt und dabei festgestellt, wie gewaltig die Unterschiede der Transportqualität von Fahrer zu Fahrer sind und wie sich das auf den Stress der Tiere auswirkt.

Die Fahrweise ist sehr wichtig für die Belastung der Tiere. Ein Fahrer muss aber auch kleinste Einschränkungen in der Fitness erkennen und sagen: Stopp, das Tier ist nicht transportfähig. Das ist schwer, wenn man keine Erfahrung hat.

INTERVIEW: MANFRED KRIENER