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Archiv-Artikel

Allzeittief bei Investitionen

STRATEGIEN Vor allem Großunternehmen tun zu wenig für die Zukunft des Standorts Deutschland. Eurokrise beeinflusst auch Verantwortliche in prosperierenden Firmen

Der Mittelstand sorgt noch vergleichsweise gut vor

VON HERMANNUS PFEIFFER

HAMBURG taz | Im Erfolg werden bekanntlich die größten Fehler gemacht. Seit fünf Jahren wächst die deutsche Wirtschaft zwar, aber sie verschläft dabei die Zukunft. Zu diesem fatalen Befund gelangt die öffentliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in mehreren Studien. Demnach sind die Investitionen der Unternehmen in Deutschland zu niedrig. Vor allem die 1.700 Großunternehmen liegen mit ihren Nettoinvestitionen „deutlich im Minus“, beklagen die Volkswirte der KfW. Aber auch im Mittelstand nehmen die Warnsignale zu.

Dabei liegt wenigstens der Mittelstand, der gemeinhin als Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft gefeiert wird, insgesamt noch im Plus: Es wird mehr Geld neu in Büros, Werkzeugmaschinen und Arbeitsplätze investiert, als alte Investitionen abgeschrieben werden. Seit dem Jahr 2004 übersteigen die Investitionen die Abschreibungen in mittelständischen Unternehmen zusammengerechnet um 349 Milliarden Euro.

Doch seit 2007 und dem Beginn der Finanzkrise zeigt auch hier der Trend nach unten: Die sogenannte Investitionsdeckung fiel von ihrem Höchststand von 156 Prozent im Jahr 2006 auf mittlerweile mickrige 116 Prozent. „Investitionsdeckung“ bezeichnet das Verhältnis zwischen Neuinvestitionen und Abschreibungen. Bedenkt man zudem buchhalterische und steuerliche Verzerrungen, so reichen 116 Prozent kaum aus, um den Kapitalstock langfristig wettbewerbsfähig zu erhalten.

Noch schlechter sieht es in den Großunternehmen von Allianz bis ZF Friedrichshafen aus. Nur in zwei Jahren seit 2004 überstiegen die Neuinvestitionen den zeitgleichen Verlust durch Abschreibungen. „Und das mit Werten der Investitionsdeckung von 103 und 110 Prozent auch nur knapp“, schreiben Michael Schwartz und Juliane Gerstenberger in einem Report der volkswirtschaftlichen Abteilung der Kreditanstalt. Alarmierend: „Die Großunternehmen erhalten in der Summe ihren Kapitalstock am Standort Deutschland demnach nicht.“ Im Gegenteil, um 98 Milliarden Euro schrumpfte der Kapitalstock während des untersuchten Jahrzehnts. Dadurch werde die künftige Leistungsfähigkeit der Unternehmen „möglicherweise in Frage gestellt“, schreiben die Analysten.

Andere Studien – so beispielsweise des Sparkassenverbands DSGV – kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass der Kapitalstock deutscher Firmen altert. Die sogenannte Unternehmensinvestitionsquote ist im Jahr 2013 auf ein Allzeittief von 9,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gesunken; und selbst im Mittelstand investieren nur noch vier von zehn Firmen.

Angesichts eines offenen Kreditzugangs bei Banken, historisch niedriger Zinsen und einer guten Konjunktur überrascht die Investitionsmüdigkeit. Über die Gründe, warum gerade Großunternehmen seit Längerem zu wenig investieren, wird gerätselt. Als einen Erklärungsansatz bietet KfW-Ökonom Schwarz die Verunsicherung von Managern und Unternehmern. So beunruhigte die Eurokrise lange auch die Entscheider.

Wenigstens zeigt eine Analyse des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), dass seit dem Sommer vergangenen Jahres das Sicherheitsgefühl – unterbrochen von der Bundestagswahl – wieder zunimmt. Um ängstlichen Managern Mut zu machen, fordert die Förderbank KfW zusätzliche staatliche Investitionen. „Sie ziehen in der Regel Unternehmensinvestitionen nach sich.“ Öffentliche Infrastruktur, Wohnraum und Freizeitangebot spielten bei Investitionsentscheidungen in den Topetagen der Konzerne eine große Rolle.