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Archiv-Artikel

Hochspannung bis zum Ende

Es war das Eishockeyspiel der kleinen Unterschiede: Gegen den Tabellenführer Adler Mannheim verloren die Eisbären Berlin knapp, aber verdient mit 1:2. Nun wird die Zeit, den Meistertitel zu holen, für Eisbären Trainer Pierre Pagé allerdings eng

Von JOHANNES KOPP

Als kurz vor Schluss kaum einer noch etwas von diesem Eishockeyspiel erwartete, wurde es plötzlich äußerst spannend. Bis dahin führte der Tabellenerste Adler Mannheim bei den Eisbären Berlin, dem amtierenden deutschen Meister mit 2:0. Das Publikum schien sich damit abgefunden zu haben, dass Gästetorwart Marc Pelletier an diesem Freitagabend offensichtlich nicht zu überwinden war. Er parierte alle Torversuche – egal ob mit gewöhnlicher Schusstechnik, Raffinesse oder roher Gewalt auf sein Gehäuse gezielt wurde.

Im ausverkauften Wellblechpalast in Hohenschönhausen hörte man kaum noch Anfeuerungsrufe. Die ersten Zuschauer verließen bereits die Halle. Aber dann, 104 Sekunden vor Ertönen der Schlusssirene, schlitterte die Scheibe doch ins Mannheimer Tor. Denis Pederson war der glückliche Schütze. Nun warfen die Berliner alles nach vorn. In den letzten Augenblicken der Begegnung sorgte ein Gerangel vor Pelletiers Tor noch einmal für große Aufregung. Die Schiedsrichter pfiffen jedoch nicht. Es blieb beim 2:1 für die Gäste. Hinterher erboste sich Eisbären Trainer Pierre Pagé über diese letzte Spielszene: „In den Schlussminuten ist offenbar alles erlaubt.“ Seiner Ansicht nach hätte es einen Penalty geben müssen. Darauf angesprochen zog es sein Mannheimer Kollege Greg Poss vor, eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage zu geben: „Ja, es war sehr hektisch.“ Es wäre auch nicht gerecht gewesen, die Schiedsrichter für den Spielausgang verantwortlich zu machen.

Das sah Pagé nicht anders. Er bescheinigte dem Gegner, das derzeit beste Eishockey in der Liga zu spielen. Die 1:0 Führung der Mannheimer in der 8. Minute bezeichnete er als einen ausschlaggebenden Moment für die spätere Niederlage. Beim Spiel fünf gegen fünf kam Colin Forbes völlig frei zum Schuss. Das fehlerhafte Verhalten seines vierten Blocks hätte diesen Treffer begünstigt, beklagte Pagé. Der Mannheimer Kader war ausgeglichener besetzt. Das lag allerdings auch daran, dass den Eisbären sieben Nachwuchskräfte wegen der U-20-WM in Schweden fehlten. Auf Christoph Gawlik, der sich dort die Schulter auskugelte, wird man wohl gar für den Rest der Saison verzichten müssen.

Insgesamt gesehen war es eine Partie der kleinen Unterschiede: Die Mannheimer präsentierten sich einen Tick ausgeglichener, spielten ein wenig organisierter und ein bisschen schneller. Letztlich mussten die Eisbären beim vierten Aufeinandertreffen mit dem DEL-Spitzenreiter die vierte Niederlage hinnehmen. Pagé stellte allerdings positiv heraus: „Es war unser bestes Spiel gegen Mannheim.“

Die Berliner haben sich zuletzt erheblich gesteigert. Von den letzten zehn Partien gewannen sie acht. Nach einem miserablen Saisonstart ist im Vergleich zu den Vorjahren der Weg nach vorne jedoch um einiges beschwerlicher. Mehr als zehn Punkte beträgt noch der Abstand zu den ersten vier Plätzen, die in den Play-offs ein Heimspiel mehr garantieren. Pagé hat trotz der schlechten Ausgangslage nur eines im Sinn. „Wir haben noch drei Monate, um bereit zu sein“, verkündete er am Wochenende.

Der Kanadier spekuliert auf die eigenen Gesetzmäßigkeiten der Play-offs. Er will den dritten Meistertitel in Folge. Seine Gedanken verlieren sich nicht jenseits des maximal Möglichen. In dieser Saison ging allerdings sein persönlicher Ehrgeiz zulasten des Teamgeistes. Schuld hatten immer die anderen. Insbesondere als es schlecht lief, griff er in aller Öffentlichkeit seine Spieler, Ko-Trainer und das Management an und machte sie für die sportliche Schieflage verantwortlich. Trotz dieser Schimpftiraden hielt Manager John Peter Lee an ihm fest. Er weiß um seine hohe fachliche Qualifikation, die er ja in der Vergangenheit mit zwei Meistertiteln eindrucksvoll unter Beweis stellte. Lee sagt, es sei kein Geheimnis, dass Pagé mit einem Job in der National Hockey League (NHL) in Nordamerika liebäugelt. Deshalb hat er wohl auch bislang seinen Vertrag in Berlin nicht verlängert.

Aus diesem schon länger bekannten Sachverhalt versuchte die Boulevardpresse zuletzt Zerwürfnisse heraufzubeschwören. Kein leichtes Unterfangen in einer sportlich erfolgreichen Phase. Pagé aber nahm dankend an. Er bestätigte auf Nachfrage, dass er unter dem fehlenden Anspruchsdenken im Verein leide. Einige im Verein seien scheinbar schon zufrieden, wenn man die deutsche Meisterschaft gewinne. Wenn man den bisherigen Saisonverlauf zum Maßstab nimmt, ist das aber alles andere als falsche Bescheidenheit.