: Alltag ohne Fanatiker
Die Filmemacherin Anna Faroqhi hat in Beirut das normale Leben im Ausnahmezustand gezeichnet
VON HARALD FRICKE
Manchmal klappt der Kulturaustausch. Mitte Dezember hatte das Goethe-Institut die Filmemacherin Anna Faroqhi nach Beirut eingeladen, um mit Filmstudenten der Universität St. Joseph einen Workshop zu gestalten. Dabei sollten die jungen Libanesen in zehn kurzen Beiträgen ihre unmittelbare Umgebung nach dem Krieg filmen. Die Ergebnisse werden im Februar zu sehen sein (http://www.goethe.de/ins/lb/bei/de1961508.htm). Darunter ist auch ein Beitrag, der dokumentiert, wie die Demonstrierenden auf dem Martyr Place leben. Wie sie vor ihren Zelten sitzen, Karten spielen oder Tee und Blumen verkaufen.
Dieser Alltag im Ausnahmezustand, wie er weiterhin in Beirut herrscht, hat wiederum Anna Faroqhi selbst beschäftigt. Vor allem wegen der überall sichtbaren Öffnung zum Westen hin: „Was mich bei den Spaziergängen durch die Stadt und bei den Gesprächen mit den Studenten und Lehrenden an der Universität immer wieder erstaunte, war, wie sich in Beirut westliche und orientalische Einflüsse zusammenfügen. Mal wirkt das organisch, mal absurd und chaotisch, aber immer ist es interessant.“ Solchermaßen motiviert, ist die 1968 in Berlin geborene Regisseurin mit dem Skizzenblock losgezogen und hat versucht, die Atmosphäre vor Ort zeichnerisch einzufangen. Ganz ähnlich hatte sie in der taz bereits vor dreieinhalb Jahren Bilder aus Israel geliefert, auf denen die ständige Präsenz von Grenzzäunen und Waffen im Stadtbild Tel Avivs sichtbar wurde. Später entstand dann der Film „Das Haus und die Wüste“, der am 22. Mai 2005 auf 3sat zu sehen war. Im Libanon ging es ihr hingegen darum, wie sich etwas von der „Hysterie in Krisengebieten“ (Anna Faroqhi) vermitteln lässt – ohne die bekannten Bilder „fahnenschwenkender schreiender Fanatiker“.