In der Tiefsee gibt es keinen Freibrief für Konzerne

BERGBAU UN-Seegerichtshof in Hamburg fällt Grundsatzurteil. Unternehmen und Staaten haften

HAMBURG taz | Die Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“, die im April im Golf von Mexiko unterging, war erst der Anfang. Nicht nur Erdöl und Gas, auch Mineralien, Gold und Industrierohstoffe werden in wenigen Jahren immer häufiger aus der Tiefsee gefördert werden. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg fällte dazu am Dienstag ein richtungweisendes Urteil: Energie- und Bergbaukonzerne müssen zukünftig in vollem Umfange haften und können ihre Verantwortung nicht durch eine clevere Vertragsgestaltung auf Entwicklungs- und Schwellenländer abladen.

Die Schatztruhe „Meer“ weckt in vielen Staaten und Konzernen Begehrlichkeiten. So hat die Bundesrepublik vor Hawaii einen Claim mit Manganknollen abgesteckt, größer als Bayern. Um solche Begehrlichkeiten kümmerte sich jetzt der Internationale Seegerichtshof der Vereinten Nationen (ITLOS). Die hohe See und die in ihr ruhenden Ressourcen gelten seit dem 1994 geschlossenen Seerechtsübereinkommen völkerrechtlich als „gemeinsames Erbe der Menschheit“. Bislang sind 148 Staaten dem Abkommen beigetreten, nicht aber die USA.

An dem Hamburger Verfahren beteiligten sich neben Deutschland auch Frankreich und China, die ebenfalls über Konzessionsgebiete im Pazifischen Ozean verfügen, und der Pazifikstaat Nauru. Dessen Regierung erhoffte sich davon Rechtssicherheit: Vor der Küste will der kanadische Bergbaukonzern Nautilus Minerals in 5.000 Metern Wassertiefe Manganknollen abernten. Die kleinen Knollen enthalten neben Mangan- und Eisenverbindungen wertvolle Industriemetalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt.

In Hamburg entschied das Gericht gegen den Konzern und auch gegen Nauru. Nautilus Minerals haftet in jedem Fall, selbst wenn der Vertrag mit Nauru einen Haftungsausschluss vorsieht. Und die Republik kann sich nicht mit einer üppig entlohnten Freikartenkonzession aus der Verantwortung stehlen, sondern ist dem „Vorsorgegrundsatz“ verpflichtet. HERMANNUS PFEIFFER