Die Eier der Frau Pauli

Außerhalb Bayerns mag der Aufstand von Landrätin Gabriele Pauli gegen ihren CSU-Chef Edmund Stoiber seltsam erscheinen. In Bayern, ja in der CSU aber liebt man diese „Rebellen“. Ein Sittenbild

VON PHILIPP MAUSSHARDT

Es geht doch darum: Soll Bayern auch nach 2008 weiter von einer Frau regiert werden? Von Frau Edmund Stoiber? Oder gelingt es der murrenden Basis, sich gegen die Stoiber’sche Weiberwirtschaft durchzusetzen und endlich einen gestandenen Mann, so einen wie Gabriele Pauli, an die Spitze der CSU zu bringen?

Mit der panischen Weigerung, im Kabinett von Angela Merkel einen Ministerposten zu übernehmen, hat der Vorsitzende der bajuwarischen Landschaftspartei bei seinen Stammesbrüdern jeden Respekt verspielt. Zurückkehren nach München, ja, das ließen sie ihn gerade noch. Aber werden konnte Edmund Stoiber von da an nichts mehr. Feigheit vor dem Freund – so etwas verzeiht man in Bayern nicht. Dicke Lederhosen sind schließlich dazu gemacht, auf dem Oarsch einen Abhang hinabzurutschen, ohne aufzuscheuern.

Wenn die Fürther Landrätin Gabriele Pauli einen Satz in den vergangenen Monaten etwa siebenhundertneunundachtzigmal gehört hat, dann diesen: „Ich bewundere Ihren Mut, Frau Pauli, in unserer Partei so den Mund aufzumachen. Reschbeckt!“ Sie hat ihr Maul nicht gehalten, wie es zu den Pflichten eines braven CSU-Mitglieds gehört, sondern ist selbst im Sturm nicht eingeknickt und hat ihren Mann gestanden. Gerade weil sie sich also nicht konform verhalten hat, ist sie ein „Pfundskerl“ und sogar noch einer, der Motorrad fahren kann und sehr gut aussieht. Manchem außerhalb Bayerns mag das unlogisch erscheinen, in Bayern, ja in der CSU liebt man solche Figuren. Denn das bisschen Opposition, das in Bayern zugelassen ist, macht die CSU am liebsten auch noch selbst.

Fast schon Strauß’sche Qualitäten hat Gabriele Pauli mit ihrem Stehvermögen bewiesen. Für Schmeißfliegen nimmt man zwischen Donau, Lech und Inn die Fliegenklatsche, und Weicheier werden verachtet. Aber den Franz Josef, den hat keiner kleingekriegt. Was sagte der Torhüter des FC Bayern nach einem verlorenen Spiel auf die Frage, an was es denn in der Mannschaft heute gefehlt habe? „Eier.“

Als Alternative zu Edmund Stoiber wären im Moment neben Pauli nur der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber und sein Kabinettskollege, Innenminister Günther Beckstein, in Frage gekommen. Huber ist zwar bei seinem „Paten“ Stoiber, nicht aber in der Partei sonderlich beliebt. Er gilt als Emporkömmling, als einer, der lange im Windschatten seines Förderers segelte, dem der soziale Aufstieg aus sogenannten ganz kleinen Verhältnissen nicht sonderlich bekommen ist. Jedenfalls gilt er als eitel und streichelbedürftig. Jeder noch so unwichtige Orden ist ihm furchtbar wichtig.

Beckstein dagegen, obwohl Franke, wird sogar in Oberbayern einigermaßen respektiert. Der hat dem sozialdemokratischen Schily immer ordentlich Zunder gegeben. Beckstein „is a Hund“, wie man hier sagt, ein ausgebuffter Fuchs oder ein ganz ein listiger Wolpertinger. Wenn er eben nur nicht Franke, also aus bayerischer Sicht irgendwie behindert wäre, hätten sie ihn längst zum Kronprinzen ausgerufen.

Die derzeitige Aufgeregtheit über den Zustand der CSU findet im Übrigen nur außerhalb Bayerns statt. In Bayern und vor allem in der CSU selbst ist man da völlig gelassen. Vielleicht wird Stoiber aus dem Amt gejagt, vielleicht wird Pauli die CSU aus Frust verlassen, vielleicht werden sich die beiden weiterhin die Köpfe einschlagen und sich öffentlich „Saubatzi“ heißen. Der CSU als Partei wird das nichts schaden, wie ihr überhaupt gar nichts schaden kann. Die CSU ist nämlich im engeren Sinne gar keine Partei, sie ist längst zum Bestandteil der Landschaft geworden. Sie gehört zum Ortsbild wie der Maibaum vor und die Kastanie hinter dem Gasthaus. Und sollte sich ein echter Bayer (also weder ein Münchner noch ein Zugereister, sprich: Zuagroaster) einmal furchtbar über seine CSU ärgern, dann wird er zum Zeichen des höchsten Protests am Wahltag zu Hause bleiben. Aber eine andere Partei wählen? Jo sammer narrisch? Darum können sich die SPD und die Grünen jetzt auch noch so die Hände reiben und können ihre Kandidaten von Neualting bis Altötting noch so intelligent daherreden und integere Menschen sein – gewählt werden sie niemals nicht.

Übrigens: Wer in der Internetsuchmaschine Google nach „Querdenker in der CSU“ sucht, bekommt dazu nur die hilfreiche Auskunft: „Probieren Sie andere Suchbegriffe.“