: Ja haben wir denn wieder 1937?
CRASH „Hindenburg“ (RTL, So. und Mo., 20.15) bietet teure Einblicke in die Eingeweide eines Zeppelins. Der Film erinnert unseren Autor an diesen … wie hieß er doch gleich …
VON STEFFEN GRIMBERG
Das ist ein Stoff, der mitreißt. Der die Zuschauer in den Bann zwingt … Man hat ein Bauwerk konstruiert, das dem Kameramann alle bildlichen Möglichkeiten gibt. Zeigt etwas, das fantastisch und doch lebenswahr wirkt. Grandios in seinen Formen. Pompös und doch von jener technischen Nüchternheit, die derartige Sensationsbauten haben müssen …
Zugegeben: Die Einblicke in das Innere des Luftschiffs sind spektakulär, an der Ausstattung sollt ihr sie erkennen, dachten wohl die Teamworx-Eventmacher. Nun ist er also da, der teuerste RTL-Film aller Zeiten: „Hindenburg“ erzählt in zwei Teilen à 90 Minuten von der letzten Fahrt des Luftschiffs LZ 129, das am 6. Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst bei New York in Flammen aufging. An sich ist das ein alter Stoff, mehrfach verfilmt, vom ZDF verguidoknoppt.
Nun also als TV-Event, mit Starbesetzung und Maximilian Simonischek als fescher Neuentdeckung. Der gibt den Ingenieur Merten Krüger, der das Luftschiff mitkonstruiert hat, sich in eine so reiche wie schöne amerikanische Erbin verguckt und in ein fieses Nazi-Komplott verwickelt wird. Es geht um kalte Macht, technische Überlegenheit und den kommenden Krieg. Zwischendurch erklingen die Geigen.
Filmromantisch? Gewiss. Aber hinter dieser Romantik taucht doch in Umrissen schon etwas Anderes, Neues auf: der neue Menschentyp der maschinegewordenen Welt, eine neue, kalte Intelligenz, die sich von Minute zu Minute in dieser mit Menschen vollgedrängten Welt behauptet, eine Art neuer Tierinstinkt auf dem laufenden Bande, eine neue Elastizität des Gehirns … und das restlose Gerichtet-Sein auf ein einziges Ziel: Beherrschung der Elemente … auch das junge, reiche Mädchen ist hier schon in diesem Sinn „Arbeiterin“, keine Spur Luxusgeschöpf, ohne jede Koketterie.
Koketterie würde auch nicht passen, schließlich stellt sich heraus, dass der Herr Papa Teil des Nazi-Komplotts ist – natürlich nur, weil er sonst vor der Pleite stünde –, eine ziemlich lahme Geschichte, die die Elastizität des Hirns nicht sehr beansprucht.
Die Nazis sind böse (aber so etwas von), die deutschen Techniker weltoffen und lieb, die Juden hadern mit ihrem Schicksal. Dazu gibt es noch die bisher absurdeste Erklärung für die nie hundertprozentig aufgeklärte Explosion des Stolzes der NS-Luftfahrt.
Und das war auch noch absurd teuer: Mehr als zehn Millionen Euro hat „Hindenburg“ laut RTL gekostet – macht bei drei Stunden ohne Werbung also mindestens 55.555,55 Euro pro Minute.
Und weil der deutsche TV-Markt allein so etwas nicht stemmen kann, hat man sich bei der Ufa-Tochter Teamworx, die „Hindenburg“ produziert hat, hier ebenfalls an der Filmindustrie der 1930er orientiert: Um den Film weltmarktfähig zu machen, spielen neben Stacey Keach noch Greta Saachi und Lauren Lee Smith mit. Das war auch 1932 so, als die alte Ufa „FP 1 antwortet nicht“ drehte. Damals ging es um eine Flugplattform im Antlantik. FP 1 ist wie die Hindenburg ein Wunderwerk der Technik – und meldet sich plötzlich nicht mehr. Daher sehen die Tochter des FP-1-Erbauers und ein Pilot nach dem Rechten.
Der Plot war damals ebenfalls so haarsträubend wie der Film teuer – man hatte unter anderem eine Ostseeinsel zur Flugplattform umgebaut. Weshalb auch 1932 gleich für mehrere Märkte gedreht wurde. Und weil beide Filme so gut zueinander passen, sind die kursiven Passagen Originalpressestimmen zu „FP 1 antwortet nicht“ von 1932.
Langfassung des Textes auf taz.de