: Der ganz große Irrsinn
Die „Rallye Dakar“ hat ihr insgesamt 54. Todesopfer gefordert – und damit für dieses Jahr ihren Zweck erfüllt
Auch heute wird wieder jede Menge Wüstenstaub aufgewirbelt werden. Auch von VW-Geländewagen, die passenderweise den Namen eines afrikanischen Wüstenstamms tragen: Touareg. Der VW-Konzern dominiert die 28. Auflage der Rallye Dakar in diesen Tagen nach Belieben. Schließlich hat das Werksteam vorgesorgt und statt den üblichen zwei gleich fünf Wagen ins Rennen geschickt, das am 21. Januar in der senegalesischen Hauptstadt zu Ende gehen soll. So funktioniert moderner Rennsport eben. Eigentlich ist alles nur eine Sache von Investitionen.
Auch Elmar Symons hat viel investiert. Der südafrikanische Motorradpilot ist am Dienstag auf der vierten Etappe der Wüstenrallye tödlich verunglückt. Auf einem Streckenabschnitt, der, so die Rennleitung, „als besonders gefährlich gekennzeichnet war“. Symons ist der 54. Tote in der 28-jährigen Geschichte der Veranstaltung – darunter Rennfahrer, Zuschauer, unbeteiligte Passanten und der Dakar-Initiator Thierry Sabine selbst, der 1986 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam.
Was sich zunächst nur als Zynismus des Veranstalters – ein Streckenabschnitt, „der als besonders gefährlich gekennzeichnet war“ – lesen lässt, ist letztlich die kühle Analyse eines Spektakels, das eben genau das verspricht: besonders gefährlich zu sein. Weswegen die Rallye ja auch ausgerechnet 1979, am Ende des Jahrzehnts der Ölkrisen und der großen Rennsportkatastrophen, ins Leben gerufen wurde. Gerade war der Geschwindigkeitsrausch der Moderne ins Stottern geraten. Und plötzlich wurde auch im Rennsportzirkus mehr über Auslaufzonen und Sicherheitskonzepte als über neue Geschwindigkeitsrekorde diskutiert. Deshalb braucht der moderne Rennsport die Rallye genauso nötig, wie die Rallye notwendigerweise solche Unglücksfälle braucht. Nicht in jedem Jahr vielleicht. Und doch würde die Rallye Dakar an Reiz und bald auch an Relevanz verlieren, würde sie die relative Risikolosigkeit der Formel 1 erreichen.
Über die schrieb Paul Virilio, der große Philosoph der beschleunigten Welt: „Die Formel-1-Rennen mit ihren freiwillig leistungsreduzierten Rennwagen finden eigentlich nur noch für das Fernsehen statt.“
Den Tod von Elmar Symons, und auch das ist signifikant, hat keine Kamera festgehalten.
CLEMENS NIEDENTHAL