INES KAPPERT ÜBER DIE FLÜCHTLINGSPROTESTE UND DEN BUNDESTAG : Flüchtlinge, keine Terroristen
Der Bezirk Berlin-Kreuzberg hat doch noch die Kurve gekriegt: Die rund 40 gegen ihre Abschiebung protestierenden Flüchtlinge dürfen in einem Teil der Gerhart-Hauptmann-Schule bleiben. Sie haben weiter Zugang zum Dach, wurden also nicht ihres letzten Druckmittels beraubt. So grausam es ist, dass den Flüchtlingen zugemutet wird, im Zweifel wieder ihr Leben aufs Spiel zu setzen – es gibt keine Alternative.
Denn jetzt muss Berlins Innensenator Henkel unter Druck gesetzt werden. Der aber wird sich des Themas nur annehmen, wenn er Gefahr läuft, Mitverantwortung für mögliche Tote zu tragen. Das ist die traurige Wahrheit. Wenden sich die Berliner ab, werden die Flüchtlinge abgeschoben. Die Gefahr, dass einigen der Freitod als der einzige Ausweg scheint, ist groß.
Frank Henkel kann das Bleiberecht gewähren. Das ist keine Frage von Erpressung, wie er gerne sagt, es handelt sich bei den Flüchtlingen nicht um Geiselnehmer oder Terroristen. Es ist eine Frage der Anwendung von geltendem Recht. Bei Suizidgefahr darf nicht abgeschoben werden. Es fehlt also allein der politische Wille.
Dass Menschen, die aus Kriegsländern nach Deutschland fliehen, überhaupt mit Suizid drohen müssen, ist das Ergebnis einer vollkommen verfehlten Asylpolitik. Die Unbeugsamen geben uns die Chance, sie zu revidieren. „Sie geben uns die Chance, wieder ein gewisses Maß an Menschlichkeit zu erreichen“, so formuliert es der Berliner Therapeut Dietrich F. Koch. Er betreut Folteropfer. Doch der Bundestag tut das Gegenteil und verschärft das Asylrecht weiter.
Es heißt also zweigleisig zu fahren: Die Menschen in Berlin müssen gerettet werden, und gleichzeitig gilt es auf Bundesebene durchzusetzen, dass Flüchtlinge nicht länger als Problem, sondern als Menschen gesehen und behandelt werden.
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