: „Das Schiff sollte besser nicht untergehen“
Abfallwirtschaftler Bernd Bilitewski warnt vor langen Giftmülltransporten – auch wenn sie sich rechnen
taz: Herr Bilitewski, sollte man Giftmüll um die halbe Welt schicken, um ihn in Deutschland zu entsorgen?
Bernd Bilitewski: Aus Sicht der Unternehmen rechnet sich das. Die Auslastung der deutschen Sondermüllverbrennungsanlagen ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, seit Lösungsmittel und Lacke nicht mehr so häufig verbrannt werden. Die Betreiber haben also Probleme, ihre Anlagen einigermaßen auszulasten. Deshalb kaufen sie ja schon länger Abfälle aus ganz Europa ein. Dass jetzt Müll sogar aus Australien kommt, ist allerdings neu.
Ist ein solch langer Transport nicht gefährlich?
Es ist zumindest fraglich, ob man Sondermüll einmal um die ganze Erde dampfen muss. Hexachlorbenzol hält sich lange. Wenn es einen Unfall gibt, hat man das Zeug eine ganze Weile im Wasser. Das Schiff sollte also besser nicht untergehen.
Bei der Verbrennung sollen Dioxine freigesetzt werden. Wie schätzen Sie die Risiken für die Anwohner ein?
Bei einer Verbrennung entstehen immer Reste. Nichts funktioniert hundertprozentig. Wenn Sie 99,9 Prozent Sauberkeit erreichen, ist das schon sehr gut. Wenn es aber eine anständige Rauchgasreinigung und Aktivkohlefilterung gibt, werden die zulässigen Grenzwerte locker unterschritten.
Die deutschen Müllverbrennungsanlagen gelten als weltweit Spitze. Ist das Wahrheit oder Legende?
In Deutschland sind die Emissionswerte tatsächlich so niedrig wie in kaum einem anderen Land.
Könnte man denn dann nicht die deutschen Anlagen exportieren, statt den Müll hierher zu holen?
Aus globaler Sicht ist das richtig. Ich habe eine Zeit lang in Indien gearbeitet. Damals haben die Amerikaner und die Europäer angeboten, in Bombay Sondermüllverbrennungsanlagen zu bauen, in denen sowohl ausländischer als indischer Müll verbrannt werden sollte. Die Inder haben das mit dem Argument abgelehnt, dass sie kein Müllimportland werden wollten. Das Ergebnis war, dass auch die indischen Abfälle nicht vernünftig entsorgt, sondern in die Flüsse verklappt oder in die Landschaft geschmissen wurden. Der Export von Anlagen wäre sicher die bessere Lösung gewesen. Aber da ist es damals wie heute: Niemand will, dass so eine Anlage in der Nachbarschaft gebaut wird.
INTERVIEW: KLAUS JANSEN