: Immer die Erste
FRAUEN Lise Meitner, Mitentdeckerin der Kernspaltung, bekommt als erste Frau ein Denkmal im Hof der Humboldt-Universität
Durch den Hintereingang muss Lise Meitner ihren Arbeitsplatz an der Friedrich-Wilhelms-Universität – der heutigen Humboldt-Universität – betreten. Offiziell ist es nur Otto Hahn, der in der ehemaligen Holzwerkstatt arbeitet, die beide zu einem Chemielabor umfunktioniert haben. Jahrelang forscht Meitner hier an den Grundlagen der Kernspaltung und der Strahlung, ohne für ihre Arbeit bezahlt zu werden. Frauen sind in der Wissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts längst nicht akzeptiert.
Anerkennung von Frauen
107 Jahre nachdem die gebürtige Wienerin und Mitentdeckerin der Kernspaltung, Lise Meitner, nach Berlin gezogen ist, bekommt sie am heutigen Donnerstag nun ein Denkmal im Ehrenhof der Humboldt-Universität (HU): eine überlebensgroße Bronzestatue der Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach. Man wolle „den allmählichen gesellschaftlichen Kulturwandel, die Anerkennung der von Frauen erbrachten Leistung auch künstlerisch sichtbar machen“, so Angelika Keune, Kustodin der Kunstsammlung der HU. Eingeweiht wird die Statue von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Die Statue wird neben dem Denkmal von Meitners Lehrer Max Planck stehen. Die figürliche Statue ist nicht nur das erste Denkmal im Ehrenhof der Humboldt-Uni, das an eine Frau erinnert, sondern dort auch das erste Kunstwerk einer Bildhauerin.
Die Erste ist Lise Meitner schon früh in ihrem Leben. Nach den frühen Jahren der heimlichen Arbeit in Berlin erhält sie als erste Frau an einer preußischen Universität 1912 eine Assistentinnenstelle bei Max Planck – und bekommt so mit 34 Jahren ihr erstes Gehalt. Zwölf Jahre später wird sie die erste Professorin an einer Berliner Universität, und zwar für Kernphysik.
Liebe zur Physik
Fürs Heiraten interessierte sich Meitner nie, ihre Liebe gehörte der Physik: „Herzlich liebe ich die Physik, ich kann sie mir nur schwer aus meinem Leben wegdenken. Es ist eine Art persönliche Liebe“, schreibt sie als junge Frau in einem Brief an eine Freundin. Lehren kann sie in Deutschland allerdings nur bis zur Machtübernahme der NSDAP: Meitner ist Jüdin und forscht nur noch bis 1938 mit Otto Hahn an der Kernspaltung. Dann annektiert das nationalsozialistische Deutschland Österreich, und für Lise Meitner wird es gefährlich. Mithilfe von Hahn und einigen Kollegen flieht Meitner im Sommer über Holland nach Schweden. Sie wird nie wieder nach Berlin zurückkehren.
Über Briefe erklären Hahn und Meitner Ende des Jahres 1938 die Gesetze der Kernspaltung, für die Otto Hahn 1946 den Nobelpreis für Chemie erhält. Der Physiker Dirk Coster, der Meitner geholfen hat, aus Berlin zu fliehen, schreibt ihr dazu: „Es ist schade, dass ich Sie 1938 aus Berlin entführt habe […]. Sonst wären Sie auch dabei gewesen. Was sicher gerechter gewesen wäre“. ANNA BORDEL