: Ohne Angeber keine Kultur
SOZIOBIOLOGIE Der Biologe Eckart Voland erklärt, wie das Handikap-Prinzip Vertrauen entstehen lässt
■ 61, ist Professor für Biophilosophie an der Universität Gießen. Zu seinen Publikationen zählt das Fachbuch „Soziobiologie“ und das populäre „Angeber haben mehr vom Leben“.
taz: Herr Voland, Vertrauen ist ein Handikap, sagen Sie?
Eckart Voland: Nein, das wäre ein Missverständnis. Es geht um das Handikap-Prinzip, das zur Vertrauensbildung beitragen kann.
Was ist das Handikap-Prinzip?
Lebewesen gehen Extra-Kosten ein, um Ehrlichkeit zu signalisieren.
Wie das?
Das Beispiel des Pfaus ist sehr beliebt: Warum hat er so ein prachtvolles Rad? Er kann damit nicht vernünftig fliegen ...
Das behindert ihn also?
Ja. Das interessierte Publikum, in diesem Fall die Hennen der Pfauen, nehmen über dieses Merkmal die Qualität der Kandidaten für die Paarung wahr. Dieses Kommunikationssystem ist ehrlich und fälschungssicher: Nur wer gut ist, kann sich ein Prachtgefieder leisten.
Kann man von Pfauen auf Menschen schließen?
Es gibt Parallelen. Auch wir Menschen investieren in Merkmale, die keineswegs nützlich sind. Thorstein Veblen hatte diesen Gedanken im 19. Jahrhundert schon. Feine Leute sind solche, die es sich leisten können, in demonstrative Verschwendung zu investieren.
Warum haben wir Vertrauen zu Banken?
Banken bauen sehr repräsentativ, um ihre Kunden zu überzeugen. Das ist ökonomisch gesehen unvernünftig. Aber unser Bauchgefühl würde verhindern, dass wir einer Bank, die ihren Computer im Container aufgestellt hat, unser Geld anvertrauen. Die Banken-Türme demonstrieren dasselbe wie die Pyramiden oder das Schloss Sanssouci.
Gibt es Kulturen ohne das Handikap-Prinzip?
Meines Erachtens nicht. Diese Strategie ist tief in unseren kognitiven Strategien verankert. Zumindest bei der sexuellen Partnerwahl greift dieses Prinzip universell, wird aber auch kooptiert in Bereichen der Macht-Demonstration oder etwa der Vertrauensbildung. Fragen: kawe
19 Uhr, Wissenschaftskolleg Delmenhorst, Lehmkuhlenbusch 4