Gazprom will Einfluss auf Pipelines ausbauen

Russen sind mit ihrem 48-Prozent-Anteil an polnischem Leitungsbetreiber unzufrieden und zahlen Rechnungen nicht

WARSCHAU taz ■ Seit gut einem Jahr schon zahlt der russische Energiekonzern Gazprom nicht die volle Rechnung für die Nutzung der Jamal-Pipeline in Polen. Statt 2 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas durch 100 Kilometer Pipeline zahlt Gazprom nur 1,94 Dollar an die Betreiberfirma EuRoPol Gaz. Polnischen Medienberichten zufolge belaufen sich die Schulden Gazproms inzwischen auf 70 Millionen Zloty (18 Mio. Euro). Dabei gehören Gazprom 48 Prozent von EuRoPol Gaz. Der Rest in in polnischer Hand.

Durch den Preisdruck will Gazprom eine neue Machtstruktur bei EuRoPol Gaz erzwingen. Künftig soll der Direktor, der laut Statut immer ein Pole ist, nicht mehr das letzte Wort bei strittigen Fragen haben. Zwar ist der Aufsichtsratschef immer ein Russe, doch hat dieser keine entscheidungsrelevante Stimme. Gazprom versucht zudem seit einiger Zeit, den 4-Prozent-Anteil des polnischen Unternehmens GasTrading an dem Pipeline-Betreiber zu kaufen. Dann wäre Gazprom Mehrheitseigner.

Wahrscheinlich werde EuRoPol Gaz die aufgelaufenen Schulden Gazproms an eine dritte Firma verkaufen, die damit ihre Verbindlichkeiten gegenüber Gazprom regeln könne, mutmaßen Wirtschaftsexperten in Polen. Dies habe vor einiger Zeit auch die Gazprom-Bank mit einem Kredit von EuRoPol Gaz getan, ohne die polnischen Anteilseigner auch nur zu konsultieren.

Bei einem früheren Streit um die Transitgebühren war der polnische Gasversorger PGNiG vor ein Schiedsgericht nach Moskau gezogen, um dort 91 Millionen Dollar Schulden einzutreiben. Das Moskauer Gericht hatte aber Gazprom Recht gegeben. Diesen Weg werde EuRoPol Gaz sicher nicht noch einmal gehen, erklärt Polens Wirtschaftsminister Piotr Woźniak.

Der Versuch, den russischen Einfluss in der Pipelinebetreiberfirma zu erhöhen, die den polnischen Streckenabschnitt bewirtschaftet, erinnert an die Vorgehensweise Gazproms in Weißrussland und der Ukraine. Auch in der EU macht Gazprom Verträge über Gaslieferungen immer häufiger von Gegenleistungen abhängig, die der Firma Einfluss in den Pipeline-Betreiberfirmen oder dem lokalen Markt zusichern. Dies war der Fall bei der italienischen ENI, der französischen Gaz de France und dem deutschen Energiekonzern RWE.

Obwohl Gazprom bereits androhte, den Kontakt mit EuRoPol Gaz demnächst auf den postalischen Weg zu beschränken, um Machtansprüche zu untermauern, gehen die Polen damit gelassen um. Ein weiterer Lieferstopp würde Gazprom endgültig den ohnehin schon in der EU reichlich ramponierten Ruf als zuverlässiger Gaslieferant kosten. GABRIELE LESSER