leserinnenbriefe :
Obere Etagen nach unten holen
■ betr.: „Ich rechne mit jeder Menge Widerspruch“, taz vom 7. 2. 11
Auch Bascha Mika fällt zum Thema Chancengleichheit in ihrem Buch nichts anderes ein, als Frauen mit dem Vorwurf zu konfrontieren, nicht genug Ausdauer und Mut zu haben, um die berühmte „gläserne Decke“ nach oben zu durchbrechen, um endlich in den Schaltzentralen der Macht Einzug zu halten. Will man nachhaltige Verbesserungen zu Gunsten nicht nur der Frauen, sondern der gesamten Arbeitswelt erreichen, will man zu einer echten Work-Life-Balance gelangen, so muss andersherum gedacht werden: Es gilt, die oberen Etagen der Macht durch die gläserne Decke nach unten zu holen, dorthin, wo das Leben im praktischen Sinne stattfindet, sodass sich niemand mehr entscheiden muss zwischen entweder/oder. Es würde die Arbeitswelt humaner und damit auch femininer machen, mit allen Vorteilen auch für die Männer, aber insbesondere für alle, die mit Kindern leben. Erst, wenn wir es schaffen, den Wunsch nach Kindern, Familie und Privatleben nicht mehr auszublenden, sondern in die Arbeitswelt zu integrieren, wenn ein 16-Stunden-Tag nicht mehr als Karrierevoraussetzung gilt, wenn Besprechungen nicht mehr um 19 Uhr anberaumt werden, wenn Ministerinnen und Minister mit Kindern im privaten und im Wirtschaftsleben zur Selbstverständlichkeit werden, sind wir unserem Ziel hin zu mehr Chancengleichheit und zu einer echten Lebensausgewogenheit ein Stück näher gekommen. ANNETTE SAPPOK-STANG, Inning
Männer sind verhamstert
■ betr.: „Ich finde Rosa auch nicht schlecht“, taz vom 3. 2. 11
Wenn Frauen vermaust sind, sind Männer verhamstert. Das bedingt sich gegenseitig. SABINE SCHMIDT-MALAJ, Zolling
Unanständiges vermutet
■ betr.: „Winterreise zu einer anständigen Esserin“, taz vom 12. 2. 11
Schon der erste Absatz ließ Unanständiges vermuten: Jochen Schmidt beschrieb sich selbst. Karen Duve ließ er verblassen. Die Belege: 72 Mal das Schmidtsche „ich“ im Text und nur 3 Mal beim Namen genannt: „Karen Duve“, diese dann immerhin je 1 Mal bezeichnet als „die Erzählerin, die Hausbesitzerin, große deutsche Schriftstellerin, anständige Esserin, eine Frau“ und 5 Mal „Duve“. Also: 72 Schmidt-„ich“-s stehen 35 Umschreibungen Karen Duves gegenüber. Damit nicht genug: Am häufigsten bezeichnete Herr Schmidt Frau Duve mit „sie“, das immerhin 22 Mal. Bei 16-maliger Schmidtiger „meinem, meiner, mein“-Selbstbezogenheit räumte der Schriftsteller seiner Kollegin nur Platz ein für 8-malige besitzanzeigende Fürwörter „ihr, ihre, ihren“. Wo war eigentlich die Endredaktion, vertieft in ihre Quotendiskussion? ELKE SCHMIDT, Hamburg
Als Botschaft unseriös
■ betr.: „Politik verlässt sich auf einen einseitigen Männerclub“, taz vom 14. 2. 11
Für jede Unterrichtsstunde, für jedes Rollenspiel in den Fächern Sozialkunde, Politik und Geschichte gilt das eherne Gebot des multiperspektivischen Ansatzes. Dass ausgerechnet der Deutsche Bundestag, das einzige vom Souverän direkt gewählte Verfassungsorgan auf Bundesebene, bei der Zusammensetzung der von ihm eingesetzten Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ – es geht offensichtlich um Zukunftsgestaltung – ebendieses Gebot missachtet, ist unglaublich, in unseren Bildungseinrichtungen nicht vermittelbar und als Botschaft desaströs.
BRIGITTA DORSCHFELDT, Berlin