: Straßen statt Bäume
Die Naturschutzverbände in NRW sehen einen Kahlschlag im Landesumweltrecht voraus. Mit dem neuen Landschaftsgesetz will das Land Beteiligungs- und Klagerechte beschneiden
VON MORITZ SCHRÖDER
Knorrige alte Eichen und traditionsträchtige Alleen verlieren ihre größten Fans. Landschaftsverbände müssen in Zukunft nicht mehr gefragt werden, bevor so genannte Naturdenkmäler oder natürliche Landschaftsteile für Baumaßnahmen zerstört werden. Auch eine jahrelang bestehende saftige Magerweide soll in Zukunft ohne großen Widerstand neuen Gebäude weichen. So steht es im neuen Landschaftsgesetz, das die Landesregierung Anfang Dezember vergangenen Jahres beschlossen hat und gestern im Landtag diskutiert wurde. „Die Landesregierung stutzt uns die Flügel“, kritisiert Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) NRW.
Bisher saßen die NaturschützerInnen regelmäßig mit am Tisch, wenn im Land neue Straßen gebaut oder der Schutz von Biotopen aufgehoben werden sollte. Das Oberhausener Landesbüro der drei großen Umweltschutzverbände NABU, BUND und Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) musste sogar von den Behörden nach einer Stellungnahme bei geplanten Eingriffen in die Natur gefragt werden. Rund 1.200 Mal im Jahr waren die UmweltschützerInnen laut BUND beteiligt. Die wirksamste Waffe haben die Organisationen bislang mit der Verbandsklage. Damit können sie in bestimmten Fällen gegen einen Eingriff Klage beim Verwaltungsgericht einreichen, ohne selbst davon betroffen zu sein.
Diese Mitspracherechte im Umweltschutz gehen über die Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz hinaus, dank der ehemaligen rot-grünen Landesregierung. Sie hat diese Rechte im Jahr 2000 in das Landschaftsgesetz hinein geschrieben. „Das war ein Meilenstein für den Naturschutz“, sagt Jansen vom BUND. Vor allem im Bereich Gewässerschutz war das Landesrecht naturfreundlicher als die Bundesversion.
Verbandsklagen richteten sich in NRW bislang etwa gegen den Ausbau von Flugplätzen wie im Rhein-Sieg-Kreis oder die Absenkung des Wasserspiegels für den Kohlebergbau. 13 Mal sind die Umweltverbände in NRW seit dem Jahrtausendwechsel vor Gericht gezogen. Der Flugplatz im Sieg-Kreis entspricht nach einer Klage nun eher den Vorstellungen der UmweltschützerInnen. Wegen einer Klage des BUND musste sogar der Papst umziehen. Statt wie geplant auf einer Heide fand der katholische Weltjugendtag 2005 auf dem Marienfeld bei Köln statt. Die Klage konnte mit Genugtuung zurückgezogen werden.
„Entscheidend ist aber nicht, dass wir klagen, sondern die vorbeugende Wirkung“, sagt Dirk Jansen, Sprecher des BUND in Nordrhein-Westfalen. Schon durch die bloße Möglichkeit wurden bereits Entscheidungen von Behörden beeinflusst, wie das Landesumweltministerium unter Eckhard Uhlenberg (CDU) eingesteht. Im November 2005 berichtete das Ministerium, die Erweiterung der Autobahn A33 sei nach einer Einigung mit den Verbänden nicht wie geplant durch ein geschütztes Waldgebiet gebaut worden. Im Bereich Biotopschutz seien neun Verwaltungsentscheidungen nachträglich verändert worden.
Trotz der erfolgreichen Kompromisse will Eckhard Uhlenberg den Verbänden nun die Krallen schleifen: „Mit dem neuen Landschaftsgesetz erhöhen wir die Akzeptanz des Naturschutzes durch den Abbau unnötiger Bürokratie“, begründete er die Änderungen. So sollten Wettbewerbsnachteile abgebaut werden. In Ländern wie Schleswig-Holstein gelten teilweise jedoch noch höhere Standards als in NRW. Unter anderem soll die Verbandsklage in NRW auf den niedrigeren Bundesstandard angepasst werden. Die Konsequenz: „Wenn es um Eingriffe in Naturschutzgebiete geht, werden wir in Zukunft nur noch beteiligt“, geklagt werden dürfe nicht mehr, kritisiert NABU-Landeschef Tumbrinck. Einhellig erklären die NaturschützerInnen im Land: „Dadurch wird der Naturschutz um 30 Jahre zurückgeworfen.“