neues aus neuseeland: camping unterm totenkopf von ANKE RICHTER
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Und es war Sommer? Und es war Regen! Noch nie hat es in Neuseeland so sehr geschüttet wie im Dezember und Januar, den ansonsten wärmsten Reisemonaten. Alles stand unter Wasser, von der Kirmes bis zum psychodelischen Rave in den Bergen. Da zusätzlich Sauregurkenzeit herrschte, weil sich das ganze Land in den feuchten Ferien befand, schickte die Tageszeitung ihre Reporter los, um die Campingplätze abzuklappern – dort, wo sich im Sommer das wahre Leben zwischen Nylonwänden und Luftmatratzen abspielt.

Die lebenslange Verpflichtung zum Zelturlaub ist Grundvoraussetzung, um neuseeländischer Staatsbürger sein zu dürfen. Und wer es noch nicht ist, schlägt erst recht tapfer Heringe in den Boden. Auch im Regen. So fand das Käseblatt denn auch prompt ein paar hartgesottene Camper im Küstendorf Okarito, weit ab von den üblichen Reiserouten – dort, wo Keri Hulme einst im Suff ihr wüstes Maori-Epos „Unter dem Tagmond“ tippte, das von keinem Lektor redigiert werden durfte, aber dennoch den Booker-Preis gewann.

Die beiden Touristen, die sich nach Okarito verirrt hatten, sahen auf dem Zeitungsfoto ziemlich vermummt aus – schließlich goss es dort seit Tagen in Strömen. Ulli und Penny hießen sie. Eindeutiger war ihre Nationalität zuzuordnen, weil auf ihren schwarzen Kapuzenpullis jeweils ein „St. Pauli“-Totenkopf prangte. Der Anblick zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Außerdem erfuhr ich bei der Gelegenheit, dass der kleine Campingplatz von Okarito von einem Rainer Öhmig geführt wird, der dort vor fünfzehn Jahren auf einer Motorradtour hängen blieb. Aussteiger halt. Typisch Öko.

Steve Braunias, einer der spitzesten Schreiber im Lande, muss den gleichen Artikel gelesen haben. Ein Deutscher als Zeltwart! Zum Brüllen komisch, dachte sich Braunias wohl, fast so lustig wie Blockwart. Also schrieb er ein fiktives Schmunzelstück über einen „Gunter Netzer“ – wo er den Namen bloß her hat? –, der brav seiner Wartungstätigkeit auf der Zeltwiese nachgeht, Zitat: „Ich führe nur Befehle aus.“ Cleverer kleiner Holocaust-Scherz, die Gelegenheit durfte er sich selbstverständlich nicht entgehen lassen. Genauso wenig, wie man als angelsächsischer Literat stets „bratwurst legged“, also wurstbeinig, als Adjektiv vor einen textlich verwursteten Germanen und ein gebrülltes „Jawoll!“ dahinter setzen muss. So steht es im Kleinen Einmaleins des kreativen Schreibens unter „Keine Klischees vermeiden“.

Vorbildlich ist da der englische Bestseller „And God created the Au pair“, eine Art Bridget-Jones-Lektüre für Mütter, in der die junge deutsche Haushaltshilfe der Londoner Familie im Jahre 2001 allen Ernstes Irmentraud heißt und in der Küche Volkslieder jodelt. Ja, so sind sie, die Deutschen. Und irgendwo unterm Dirndl hat Irmi sicher ein Hakenkreuz versteckt. Da kann sich der Brite schön gruseln.

Braunias’ Camping-Parodie endet mit der beängstigenden Prophezeiung Gunter Netzers, dass dieses Jahr ein „Ansturm von Deutschen“ erwartet werde. Falls die teutonischen Massen sich von Okarito nach Christchurch bewegen sollten, habe ich vorgesorgt: Auf unserem Grundstück flattert jetzt die St.-Pauli-Fahne. Flagge zeigen!