: Was hierzulande mal möglich war
BRD-FILM Der ewige Kinorebell Roland Klick zeigt Melancholie und Einsamkeit der alten BRD. Zu seinem 75. Geburtstag widmet ihm das Lichtblick-Kino eine Retrospektive
VON THOMAS GROH
In Deutschland pflegt man seine Außenseiter. Nicht nur in der Literatur, wo man gerade des 70. Geburtstags des 1987 verstorbenen Jörg Fauser gedenkt, sondern auch im Film: Früher Will Tremper, aktuell Klaus Lemke oder der große Regie-Exilant Werner Herzog sind immer eine Geschichte, eine Anekdote, einen staunenden Artikel wert – wohl auch, weil sie in Habitus und Werk einen Weg aus der beklemmenden, verwalteten Unfreiheit insbesondere der alten Bundesrepublik aufweisen.
Ein anderer Regie-Rebell ist Roland Klick, der seit Jahren ewig Wiederentdeckte, der in den 60ern und 70ern mit einer ganzen Reihe herausragender, auch vom Bundesfilmpreis bedachter Filme reüssierte, dann aber zusehends in der Isolation verschwand. Sein 75. Geburtstag Anfang Juli – nachträglich alles Gute! – ist Anlass genug für eine Würdigung im breiten Stil: Mit einem sehenswerten Dokumentarfilm von Sandra Prechtel, einer großen DVD-Edition, vergangene Woche mit einem Filmabend in der Volksbühne, einer anstehenden Filmreihe auf 3sat und nun auch mit einer erfreulich umfangreichen Retrospektive im Kino Lichtblick, die zudem – ein Grund mehr zur Freude – größtenteils von 35 mm bestritten wird.
Im Pantheon der großen BRD-Regisseure anzukommen hätte Klick allemal verdient, nur wünschen kann man es ihm kaum. Offensichtlich viel zu lieb ist ihm die Rolle des Kinorebells geworden, die er – man muss das wirklich live erleben – ungeahnt agil und lebenslustig, bar jeder Verbitterung mit zahlreichen Geschichten ausschmückt.
Dass sein harter, 1970 mit viel Tränen und Schweiß der Wüste Israels unter gleißender Sonne abgerungener Neo-Western „Deadlock“ (Musik: Can!) angeblich nach Einflussnahme aus dem Umfeld des Jungen Deutschen Films aus der Vorauswahl für das Filmfestival von Cannes verschwand, zählt zu den legendärsten Anekdoten – für die Klick allerdings die einzige Quelle darstellt.
Wohl auch aus solchen Erfahrungen rührt Klicks Groll gegenüber einem angeblich publikumsfeindlichen Kunst- und Autorenkino, das sich in seiner eigenen Kristallinität einhegt, auch wenn Klicks Spielfilme dem Autorenfilm deutlich näher stehen als die damaligen BRD-Unterhaltungsfilme.
Die Zeichen hatten eh auf Kooperation und Ko-Existenz gestanden: Geschult an den Filmen Antonionis, in die sich der damalige Student der Theaterwissenschaften verliebt hatte, kennzeichnete Klick sein Kino schon im frühen Kurzfilm „Ludwig“ (mit dem blutjungen Otto Sander) und im Langfilmdebüt „Bübchen“ (1968), einer bedrückenden Bestandsaufnahme des BRD-Nachkriegsalltags, als ein hochsensibles Kino der Drifter, die verloren durch eine indifferente Welt streunen.
Insbesondere die intensive Kindsmordgeschichte „Bübchen“ lässt sich dem Jungen Deutschen Film noch problemlos zuordnen. Mit dem Post-Bankraub-Western „Deadlock“ und seiner St.-Pauli-Stricherballade „Supermarkt“ (1973) wurde er rasanter, näherte sich Tropen und Materialismus des amerikanischen Kinos an, behielt dabei aber sein Gespür für die Poesie von Setting und Dingwelt bei: Die Melancholie beider Filme rührt aus der traurigen Ekstase, mit der sich ihre Protagonisten schlussendlich ans Geld verschwenden. Verschwendet hat sich Klick schließlich selbst, mit seinem späten, in der New-Wave-Szene des West-Berlins der 80er situierten „White Star“: Der Film gilt nicht zuletzt wegen Dennis Hoppers Monstrositäten auf und jenseits der Leinwand als, wenn auch interessant, gescheitert. Er markiert Klicks Abschied vom Kino.
Muss man im Falle Klicks den alten Spruch anbringen, dass „so etwas auch hierzulande mal möglich war“? Eigentlich nicht. Klicks ekstatisch-poetisches, rasend schönes, keine Kompromisse eingehendes Kino besteht tatsächlich am besten ganz für sich, ganz ohne die Rebellengeschichten drum herum, als Zeugnisse von Melancholie und Einsamkeit der alten BRD.
■ Filmreihe Roland Klick: Lichtblick-Kino, Kastanienallee 77, 19.–30. Juli, Infos: www.lichtblick-kino.de